Kommentar:Verschont die Steuerzahler

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Zwei italienische Krisenbanken werden mit Steuergeld vollgepumpt. Haben wir aus der Finanzkrise bis heute nichts gelernt? Die EU muss dringend nacharbeiten. Aber immerhin steckt in dem italienischen Fall auch ein positiver Aspekt.

Von Andrea Rexer

Es ist ein vertrautes Muster: Am Freitagabend, nach Börsenschluss, dringt die Nachricht nach draußen, dass zwei Banken nicht überlebensfähig sind. In hektischen nächtlichen Sitzungen wird ein Plan gemacht, was zu tun ist, wenn am Montagfrüh die Schalter öffnen. Milliardengarantien werden versprochen, die der Steuerzahler schultern wird - die Banker atmen auf. Es ist eine Episode, die sich in der Finanzkrise auf der ganzen Welt mehrfach so abgespielt hat. Knapp zehn Jahre später hat sie sich wiederholt, am vergangenen Wochenende, in Italien. Obwohl an den Aktienmärkten Hochstimmung herrscht, die Konjunktur läuft und sich viele Krisenländer längst wieder erholt haben, reagiert Europa auf Problembanken mit den alten Reaktionsmustern. Das wirft unweigerlich die Frage auf, ob wir in all den Jahren nichts gelernt haben? Sind wir keinen Schritt weiter als vor zehn Jahren?

Der Vorfall wirft ein Schlaglicht darauf, was in der Aufarbeitung der Finanzkrise in Europa falsch gelaufen ist. Die EU muss dringend nacharbeiten. Doch bei aller Kritik steckt in dem Fall auch eine positive Nachricht.

Wenn Banken Kredite nach Gutdünken vergeben, leidet die Gesamtwirtschaft

17 Milliarden Euro stellte Italien an diesem Wochenende für die Veneto Banca und die Banca Popolare di Vicenza bereit. Das muss man sich mal vorstellen: Zwei Banken, die zusammen nicht einmal zwei Prozent der Bilanzsumme aller italienischen Banken auf die Waage bringen, bekommen fast so viel Staatshilfe wie Deutschlands größter Rettungsfall, die Commerzbank. Das ist skandalös. Es widerspricht allen Aussagen von Politikern in ganz Europa, die mantrahaft wiederholt hatten, nie wieder die Steuerzahler zur Kasse bitten zu wollen.

Jahrelang haben sich Aufsichtsbehörden und Politik bemüht, Mechanismen zu erarbeiten, die es erlauben, Banken im Notfall geräuschlos abwickeln zu können. Doch während in Brüssel munter neue Gesetzestexte geschrieben wurden, komplizierte Mechanismen und Institutionen etabliert wurden, die zusammenfassend als "Bankenunion" tituliert wurden, ging in Italien praktisch gesehen nichts voran: Man erkannte zwar früh, dass das lokal geprägte und in politischen Netzwerken verstrickte Bankensystem ineffizient arbeitet und unter notleidenden Krediten ächzt, doch die notwendigen Aufräumarbeiten wurden immer wieder aufgeschoben. Das Versäumnis hat auch negative Auswirkungen auf das Wachstum: Wenn Kredite nach politischem Gutdünken und nicht nach Geschäftszahlen vergeben werden, bremst das die gesamte Wirtschaft. Die Europäische Bankenaufsicht unter dem Dach der Zentralbank hat dieses Problem zwar früh gesehen und offen angesprochen, dennoch muss sie sich nun die Frage gefallen lassen, warum sie nicht viel früher gehandelt hat.

Immerhin aber - und das ist die positive Nachricht, die gerade von deutschen Kommentatoren gern übersehen wird: Die beiden Banken werden tatsächlich vom Markt verschwinden, sie werden abgewickelt und nicht weiter als sogenannte Zombiebanken durchgefüttert. Das ist der entscheidende Unterschied zu den Rettungsaktionen vor zehn Jahren. Und das ist durchaus ein Verdienst der Bankenunion: Institute können jetzt abgewickelt werden, ohne ein Beben an den Märkten auszulösen.

Problematisch jedoch sind die Konditionen: Denn anders als in den europäischen Regeln vorgesehen, muss nur ein Teil der Gläubiger haften, die vorrangigen Anleihegläubiger und die Einleger der beiden Krisenbanken werden geschont. Möglich macht das ein Schlupfloch: Die Banken werden nicht nach dem europäischen Regelwerk restrukturiert, das die Gläubiger zahlen lässt, sondern sie werden nach italienischem Insolvenzrecht abgewickelt. Und das wiederum erlaubt Staatshilfen, die in diesem Fall von der EU-Kommission abgesegnet wurden.

Das zeigt, wie groß der Handlungsbedarf ist. Die europäische Politik muss Schlupflöcher in der Bankenunion stopfen. Sie muss dringend ein europäisches Insolvenzrecht einführen, wie es Experten wie Nicolas Verón vom Thinktank Bruegel schon lange fordern. Weil das ein langer Prozess ist, könnte in einem ersten Schritt eine Harmonisierung der Regeln angestrebt werden. Nationale Alleingänge wie in Italien könnten so verhindert werden.

Was technisch klingt, ist politisch von größter Bedeutung: Bleiben solche Schlupflöcher weiter offen, werden die Bürger ihr Vertrauen in die europäische Politik verlieren. Denn bei Bankenrettungen durch Steuerzahlergeld geht es um den Geldbeutel jedes Einzelnen. Das Credo für die Politik muss lauten: Schont die Steuerzahler, nicht die Gläubiger.

© SZ vom 28.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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