Kommentar:Verlogen und falsch

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Viele Bosse aus Westeuropa und den USA haben ihre Teilnahme in Saudi Arabien wegen des mysteriösen Verschwindens des Regimekritikers Khashoggi abgesagt. Das ist verlogen und falsch. Sie hätten in Riad offen Kritik üben können.

Von Elisabeth Dostert

An diesem Donnerstag endet in Riad der Investorenkongress Future Investment Initiative des Königreichs Saudi-Arabien. Die Veranstaltung verdiene ob der großen Zahl und Prominenz der Teilnehmer und der Größe der dort abgeschlossenen Geschäfte den Titel "Davos in der Wüste", ließ sich der saudische Wirtschaftsforscher Fadl Albuainain im Vorfeld des Kongresses in der Saudi Gazette zitieren. Veranstalter des Kongresses ist der milliardenschwere Public Investment Fund (PIF). Das staatliche Vehikel soll durch Investitionen die "wirtschaftliche Transformation" des Königreichs vorantreiben, wie es auf seiner Internetseite heißt.

Ganz so makellos wie das Treffen der sogenannten Eliten aus Politik, Wissenschaft, Wirtschaft und Gesellschaft in den Schweizer Bergen lief es dann doch nicht ab. Wegen des mysteriösen Verschwindens des saudi-arabischen Journalisten und Regimekritikers Jamal Khashoggi sagten namhafte Wirtschaftsgrößen ihre Teilnahme ab. Khashoggi starb, wie mittlerweile bekannt ist, im saudi-arabischen Generalkonsulat in Istanbul. Details aus den Ermittlungen, die in türkischen Medien veröffentlicht wurden, weisen auf Verbindungen zum saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman hin. Der 33-Jährige gilt als machthungriger, opportunistischer Mann, er ist Chairman des PIF und damit Gastgeber der Investorenkonferenz.

Eine Teilnahme an dem Kongress, womöglich gar Fotos mit dem Kronprinzen, scheint gerade schlecht für das Image von Menschen, die für sich in Anspruch nehmen für Demokratie, Moral und Weltoffenheit zu stehen. Also blieben US- Finanzminister Steven Mnuchin, die Chefin des Internationalen Währungsfonds, Christine Lagarde, Bankenchefs wie Cristian Sewing von der Deutschen Bank und John Flint von der HSBC, der Boss des Fahrdienstvermittleres Uber, Dara Khosrowshahi, und der britische Unternehmer Richard Branson dem Treffen fern.

Der Vorstandsvorsitzende von Siemens, Joe Kaeser, sagte erst am Montagnachmittag unter öffentlichem und politischem Druck ab. Es sei "die sauberste Lösung, aber nicht die mutigste", ließ Kaeser wissen. Also bitte! Mut ist das Gegenteil von Feigheit. Wie kann eine feige Lösung sauber sein? Die Absagen, auch jene von Kaeser, sind verlogen, scheinheilig - und falsch.

Verlogen deshalb, weil zwar die Bosse absagten, viele Konzerne aber doch mit Mitarbeitern präsent waren, wie Peter Ramsauer (CSU), ehemaliger Verkehrsminister und Präsident der arabisch-deutschen Außenhandelskammer Ghorfa, in einem Radio-Interview sagte. Er kennt die Teilnehmerliste, sie enthalte Hunderte von Teilnehmern aus der westlichen Welt.

Unternehmer hätten die Konferenz in Riad besuchen und ihre Werte vertreten sollen

Die Absage an Riad ist auch scheinheilig. Geld des saudischen Fonds steckt nach eigenen Angaben unter anderem in Uber, Arcelor Mittal, American Quality und Hapag-Lloyd, in der US-Investmentgesellschaft Blackstone und damit in vielen börsennotierten Konzernen weltweit. Allein im Vision Fonds des japanischen Konzerns Softbank, der an Firmen wie We Work oder Uber beteiligt ist, stecken 45 Milliarden Dollar aus Saudi-Arabien.

Um Menschenrechte hat sich das Königreich schon vor dem Tod Khashoggis wenig geschert, nur sind die meisten Opfer weniger prominent. Ginge es den Konzernen wirklich um Ethik, hätten sie das Geld aus Saudi Arabien nie nehmen dürfen und müssten sich jetzt schleunigst neue Investoren suchen und den Fonds hinauskomplimentieren. Die Konzerne dürften dann eigentlich auch keine Geschäfte machen in und mit Ländern wie Russland und China, um nur zwei große Staaten mit lukrativen Märkten zu nennen. Auch dort werden Regimekritiker verfolgt.

Falsch ist die Absage auch. In Riad wurden trotzdem Verträge geschlossen. Allein am Dienstag, dem ersten Konferenztag, meldeten die Saudis Deals von insgesamt mehr als 50 Milliarden Dollar, darunter mit dem südkoreanischen Autobauer Hyundai, dem US-Ölfeldausrüster Schlumberger und dem französischen Ölkonzern Total. "Großartig, mehr Leute mehr Geld", zitiert die Nachrichtenagentur Reuters Kronprinz bin Salman. Besser wäre gewesen, Kaeser, Flint, Branson oder Charles-Edouard Bouée, Chef der Unternehmensberatung Roland Berger, wären nach Riad gereist, um dort für ihre Werte einzustehen und laut Kritik zu üben. Besser wäre, Geschäfte nicht solchen Investoren zu überlassen, die sich wenig um Menschenrechte und Demokratie scheren. Klar geht es darum, Gewinne zu steigern, aber Konzerne können im Handel und mit Investitionen in solchen Staaten auch ihre Werte exportieren und vorleben und damit zum Wandel beitragen. Das sollten sie tun.

© SZ vom 25.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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