Kommentar:Ungewissheit mit und ohne Ifo

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Das ist der Strohhalm, an den wir uns gerne klammern wollen: Der Geschäftsklimaindex des Instituts für Wirtschaftsforschung (Ifo) in München ist erneut gestiegen, geringer zwar als erwartet, aber doch ein Stückchen weit und vor allem zum dritten Mal in Folge.

Von Marc Beise

(SZ vom 29.07.03) - Kommt der Aufschwung, endlich? Das Ifo-Institut selbst sieht "eine Wahrscheinlichkeit von 80 Prozent, dass es nun nach oben geht". Eine zugleich gewagte und wohlfeile Argumentation.

Wohlfeil deshalb, weil es natürlich wieder aufwärts gehen wird - es fragt sich nur: wann und mit welcher Kraft? Die Talsohle der Konjunkturflaute ist aus vielerlei Gründen vermutlich erreicht.

Nicht gesagt aber ist, dass es mit der allgemein miesen Stimmung von Unternehmen und Bürgern wirklich ein Ende hat.

Genauerer Blick ernüchtert

Der genauere Blick auf die Ergebnisse der Ifo-Umfrage bei 7.000 Unternehmen ernüchtert: In der Summe sind es allein die Erwartungen, die die Besserung des Geschäftsklimas bewirken, die Lagebeurteilung dagegen hat sich weiter eingetrübt. Auch der "Branchenmix" ist unausgewogen.

Wieder einmal war es in erster Linie der Einzelhandel, dessen Geschäftsklima sich überdurchschnittlich stark verbessert hat. Die Stimmung aber kann schnell wieder umschlagen - wenn die Erwartung an bessere Zeiten fehlgeht, wenn namentlich die Regierung die Hoffnungen enttäuschen sollte, die sie heute weckt.

Unmittelbar mit Beginn der Sommerpause bietet das Team um Kanzler Gerhard Schröder (SPD) ein heftig widersprüchliches Bild. Es hat einige auf den ersten Blick gute Nachrichten parat - die sich aber bei näherem Hinsehen als Mogelpackungen entpuppen.

So hat die Regierung rasche Steuersenkungen versprochen: ein Vorziehen der Steuerreform weitgehend ohne Gegenfinanzierung. Das ist steuersystematisch falsch, könnte aber - für sich allein betrachtet - die Konjunktur stabilisieren.

Finanzierung völlig offen

Nur ist die Finanzierung völlig offen, und mit einem ordentlichen Schuss Pech werden im Herbst die Haushalte kollabieren.

Sodann hat die Regierung mit der Union unter großem Getöse eine Gesundheitsreform beschlossen. Doch der laut Oppositions-Unterhändler Horst Seehofer (CSU) "historische Durchbruch" löst keine Probleme, sondern kaschiert nur die Finanzprobleme durch massive Zusatzbelastung der Bürger.

Und schließlich hat Kanzler Schröder soeben bei der Gewerbesteuerreform eine Kehrtwende im Sinne der alarmierten Wirtschaft vollzogen - aber wird die neue Linie den Protest der nächsten Tage überleben? Die Ungewissheit hält an, mit und ohne Ifo-Zahlen.

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