Kommentar:Uber ist nicht alles

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Der Mitfahrdienst passt sich, notgedrungen, den deutschen Gesetzen an. Aber sind die wirklich zeitgemäß? Im digitalen und mobilen 21. Jahrhundert brauchen wir andere Regeln für die Personenbeförderung, die wirklich allen nutzen.

Von Jan Willmroth

Alles ist gut, Recht und Gesetz haben gesiegt, Uber beugt sich den in Deutschland geltenden Regeln. Das Unternehmen aus San Francisco hat einen neuen Dienst gestartet, mit dem es sich "an die bestehende Regulierung in Deutschland" anpasse, wie es verlautbart. Statt des Mitfahrdienstes Uber Pop gibt es nun eine Mietwagen-Vermittlung. Vor etwa zwei Monaten hat das Frankfurter Landgericht Uber Pop verboten, endlich einmal nimmt sich die Silicon-Valley-Firma ein solches Urteil zu Herzen und fügt sich. Das Unternehmen, das nicht nur auf dem deutschen Markt auftrat wie ein wild gewordener Stier, scheint endlich gezähmt zu sein.

Wirklich? So einfach ist es nicht. Um die Strategie hinter dem neuen Angebot Uber X zu interpretieren, muss man zunächst ein paar Monate zurückschauen - in die Zeit um den Jahreswechsel, als Uber-Vorstandschef Travis Kalanick in Europa zu Gast war. Der Mann, dem noch immer der Satz nachhängt, man trete gegen "ein Arschloch namens Taxi" an, war auf einmal zahm, versöhnlich, ein geschickter Diplomat. Im Januar sagte er, es sei nicht das Ziel, das Taxigeschäft zu verdrängen. Statt aggressiver Konfrontation hieß das Narrativ fortan Kooperation: Uber als Vorreiter in einer Welt der unbegrenzten Mobilitätsalternativen.

Wettbewerb tut gut - auch im Kampf um die Taxi-Kunden. Es braucht mehr innovative Anbieter

Nun, vielleicht konnte Uber nicht anders. Zu zahlreich sind die Konflikte mit Ordnungsbehörden rund um den Globus, zu schlecht der Ruf (zumindest unter Nicht-Kunden), zu eindeutig das veraltete Personenbeförderungsgesetz und damit aussichtslos der Rechtsstreit mit der Taxibranche.

Dabei gibt es ja gute Gründe, mit dem Taxigewerbe unzufrieden zu sein. Ungepflegte, veraltete Fahrzeuge sind vielerorts ein Problem. Genau wie Fahrer, die sich schlecht auskennen oder die Sprache nicht beherrschen. Genau wie Graumärkte, in denen Lizenzen verbotenerweise weiterverkauft werden und Anteile an Taxigenossenschaften kaum noch bezahlbar sind. Und nicht zuletzt die grassierende Schwarzarbeit. Die Branche ist viel zu lange für alle sichtbar in den gesetzlich zementierten Strukturen vor sich hingedümpelt.

Es ist Ubers Verdienst, den Bürgern und diesem Gewerbe gezeigt zu haben, dass es im 21. Jahrhundert auch anders geht. Dass es neben Bahn und Taxi, neben Fernbussen und Carsharing auch Mitfahrgelegenheiten für kleinere und größere Entfernungen geben sollte. Denn das Personenbeförderungsgesetz gehört zu jenen Normen-Sammlungen, die gründlich überarbeitet und an die technischen Voraussetzungen der Informationsgesellschaft angepasst werden müssen. Das ist die gute Seite der Geschichte. Es ist aber auch die eigennützige Position eines Multimilliarden-Unternehmens.

Und da fängt die schlechte Seite der Geschichte an. Mit dem neuen Dienst verschafft sich Uber Zeit. Nachdem es sich zuerst aggressiv ausgebreitet hat und inzwischen mehr als 50 000 Nutzer zählt, bindet das Unternehmen mit seinem neuen Angebot jetzt Mietwagen-Unternehmer an sich. Jetzt hat Uber Zeit, auf dem wichtigen deutschen Markt weiter zu wachsen - und das ganz legal. Diese Zeit wird Uber aber auch für nicht zu unterschätzende Lobby-Aktivitäten nutzen. Das Unternehmen hat viele Milliarden Dollar von Investoren eingesammelt, es kann sich die besten Anwälte leisten, die teuersten Kommunikationsagenturen, die einflussreichsten Berater. Die Ankündigung seines neuen Dienstes flankiert Uber zum Beispiel so: "Wir sind auf allen politischen Ebenen in einem konstruktiven Dialog."

Das kann man auch als Warnung lesen. Denn wenn sich die Politik nicht um eine öffentliche Debatte darüber bemüht, wie der Personentransport neu geregelt werden soll, findet diese Diskussion eben unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Dann wird das weltweit mächtigste Unternehmen auf diesem Gebiet der größte Profiteur einer möglichen Liberalisierung der Personenbeförderung sein. Die Gefahr besteht, dass die wirtschaftlichen Vorteile einer Neuordnung, wie sie etwa die Monopolkommission überzeugend darstellt, zu sehr bei nur wenigen finanzstarken Akteuren hängen bleiben.

Mehr Wettbewerb zugunsten des Kunden - das ist die Mission, von der Uber immer spricht. Wettbewerb funktioniert aber nur, wenn sich alle an die Regeln halten und fair bleiben. Beides hat Uber mit Ansage ignoriert. Neue Regeln: ja, bitte. Mehr Wettbewerb: so schnell wie möglich. Aber bitte nicht so, dass ausgerechnet das Unternehmen am meisten davon hat, das Behörden und Gerichten ein Jahr lang auf der Nase herumgetanzt ist. Sondern so, dass auch neue, kleine Konkurrenten noch eine echte Chance haben.

© SZ vom 21.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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