Kommentar:Tragik am Bau

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9600 Mitarbeiter bangen um ihre Existenz, doch aus heutiger Sicht dürfte die Walter-Pleite kaum Folgen für die Wirtschaft insgesamt haben. Immer noch gibt es in der Baubranche gewaltige Überkapazitäten. Geht ein Unternehmen pleite, geht es den Konkurrenten nachher nicht besser.

Von Karl-Heinz Büschemann

Wenigstens eine gute Nachricht gibt es im Zusammenhang mit der Insolvenz des Augsburger Baukonzerns Walter Bau: Die vier Kilometer lange Brücke über den Strelasund nach Rügen wird pünktlich fertig.

Das größte Bauprojekt Deutschlands wird von anderen bis 2007 weitergebaut. Auf anderen Baustellen des viertgrößten deutschen Baukonzerns werden die Arbeiten ebenfalls weitergehen.

Es mutet fast tragisch an: 9600 Mitarbeiter bangen um ihre Existenz, doch aus heutiger Sicht dürfte die Walter-Pleite kaum Folgen für die Wirtschaft insgesamt haben.

Gewaltige Überkapazitäten

Auch der Konkurrenz nützt es nichts, dass ein wichtiger Wettbewerber mit sich selbst beschäftigt ist. Die Aktien der Konkurrenten Bilfinger-Berger und Hochtief bewegen sich praktisch nicht.

Die Bauindustrie leidet seit dem Ende des subventionierten Baubooms im Osten vor zehn Jahren unter gewaltigen Überkapazitäten. Doch die verschwinden nicht. Geht ein Unternehmen pleite, wie vor drei Jahren die Holzmann-Gruppe, geht es den Konkurrenten nachher nicht besser.

Die Zahl der Beschäftigten am Bau hat sich seit der Mitte der neunziger Jahre auf unter 800.000 halbiert. Doch die Zahl der Bauunternehmen liegt konstant bei rund 80.000.

Ein Polier oder Ingenieur, der seinen Arbeitsplatz verloren hat, kauft sich einen alten Pritschenwagen und ein paar Schubkarren - schon ist er Bauunternehmer.

Schwarz- und Fremdarbeiter sorgen für billiges Personal. Das Leben auf den Baustellen geht weiter. Auch bleibt der Druck auf die Preise, die in dieser Branche bestenfalls schmale Gewinne erlauben.

Branchenprimus — auf einem siechen Markt

Der Niedergang von Walter ist aber auch eine Folge von Fehlern des Firmengründers Ignaz Walter. Der Unternehmer hat sich zu stark auf den deutschen Markt konzentriert, und es ist gefährlich, auf einem siechen Markt der Branchenprimus zu sein.

Bilfinger-Berger oder Hochtief haben sich auf Auslandsmärkte begeben und sich dem lukrativen Gebäudemanagement zugewandt. Walter blieb klassischer Baukonzern, der konnte, was alle anderen auch erledigen können. Eine Besonderheit zeichnete den Konzern nicht aus.

Deswegen wird es für den Insolvenzverwalter schwierig. Er soll große Teile des Konzerns erhalten, schon im Interesse der Mitarbeiter. Doch er wird viele Teile vorfinden, bei denen sich das Weiterführen nicht mehr lohnt.

Je mehr Teile von Walter er am Leben zu halten versucht, desto dankbarer werden die Mitarbeiter sein. Doch der beste Insolvenzverwalter kann nichts daran ändern, dass es in der Bauindustrie viel zu viele Kapazitäten gibt.

© SZ vom 2.2.2002 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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