Kommentar:Test für den guten Willen

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Die EU verhängt Handels-Sanktionen gegen die Vereinigten Staaten - das klingt nach Handelskrieg, ist es aber (noch) nicht. Eher handelt es sich dabei um ein wohlkalkuliertes Spiel, bei dem beide Seiten um die Finten des jeweiligen Gegners wissen und versuchen, das Beste für sich herauszuholen.

Von Nikolaus Piper

(SZ vom 06.11.03) - Riskant ist das Spiel trotzdem. Die Welthandelsorganisation (WTO) hat die besondere Form der amerikanischen Ausfuhrsubvention - US-Konzerne dürfen Exporte über Tochterfirmen in Steueroasen abwickeln - für unvereinbar mit ihren Regeln erklärt.

Das gibt der EU, die dagegen geklagt hatte, das Recht, Strafzölle gegen die USA zu verhängen. Die Kommission in Brüssel hat jetzt erklärt, wie sie das Recht nutzen wird: Zölle in Höhe von 175 Millionen Euro von März an - nicht das Ausmaß, aber der Zeitpunkt der Strafaktion zeigt, dass die Europäer keine Eskalation wollen.

Bei allem transatlantischen Handelsstreit geht es immer auch um die Frage, inwieweit die beiden Wirtschaftsmächte EU und USA bereit sind, sich unter das Regelwerk der WTO zu fügen und sich mit dem gleichen Maß messen lassen, wie jeder andere Staat auf der Erde.

Rücksichtnahme auf nationale Interessengruppen

Die beiden Handelsbeauftragten Robert Zoelleck (Washington) und Pascal Lamy (Brüssel) sind überzeugte Anhänger der multilateralen Handelsordnung, sie verstehen sich auch persönlich gut. Aber sie müssen auf nationale Interessengruppen Rücksicht nehmen.

In den Vereinigten Staaten ist Handelspolitik immer auch Interessenpolitik. Besonders jetzt, da die amerikanische Wirtschaft zwar wieder wächst, aber noch keine neuen Jobs entstehen, fällt es leicht, ausländische Handelspartner für Arbeitsmarktprobleme verantwortlich zu machen. So war es der US-Senat, der gegen den Willen Zoellecks die Exportsubventionen noch bis 2007 verlängert hat.

Die Europäer haben ihre Schwierigkeiten mit der Agrarlobby, besonders in Frankreich. Und dank der Globalisierungsgegner hat der Freihandels-Gedanke generell schlechte Karten.

Nicht bis zum letzten ausschöpfen

So sind die Sanktionen ein Test für den guten Willen von EU und USA. Die Europäer sind zwar im Recht, sie sollten es aber nicht bis zum letzten, also bis zu Sanktionen von vier Milliarden Dollar ausschöpfen. Und sie müssen sich ihrerseits den Regeln der WTO beugen, beim Handel mit dem Fleisch hormonbehandelter Rinder etwa oder beim Umgang mit genveränderten Nahrungsmitteln.

Vor allem aber müssen die Regierungen in der Öffentlichkeit für das Prinzip allgemein gültiger Handelsregeln werben. Diese sind im langfristigen Interesse aller, auch wenn diese Tatsache im Getöse der Lobbys meist untergeht.

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