Kommentar:Starker Euro, starkes Europa

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Die deutschen Exporteure jammern, doch der Verfall des Dollar hat auch Vorteile.

Von Gerd Zitzelsberger

(SZ vom 12.12.03) — Achtmal hintereinander ist der Dollar in den vergangenen eineinhalb Wochen gegenüber dem Euro auf ein neues Tief abgerutscht.

(Foto: Foto: dpa)

Und kaum einer mag darauf wetten, dass die Talfahrt damit schon zu Ende ist, auch wenn die amerikanische Währung sich an den beiden vergangenen Tagen etwas gefangen hat. Ohne Zweifel bereitet der Dollar-Verfall der deutschen Export-Wirtschaft, die gerade wieder etwas Zuversicht schöpft, Probleme.

Gelassenheit geboten

Dennoch ist Gelassenheit geboten: Der Euro ist eine junge Währung. Ein Dollar-Rekordtief muss also keine dramatische Verwerfung bedeuten. In der Tat ist seine Schwäche keineswegs so beispiellos, wie es zunächst scheint. Mitte der neunziger Jahre etwa lagen die Dollar-Notierungen noch niedriger.

Hätte es den Euro damals schon gegeben, wäre die US-Währung um das Niveau von 1,30 Dollar pro Euro gependelt, also sechs Prozent tiefer als heute. Und Anfang der neunziger Jahre ist die amerikanische Valuta zeitweise sogar - nach alter Ausdrucksweise - bis auf 1,38 DM je Dollar abgerutscht, während sie heute bei 1,60DM je Dollar läge.

Unternehmen vorbereitet

Viele haben es vergessen, aber Mitte der neunziger Jahre lautete die Faustregel in den Unternehmen: Wer auf der vorsichtigen Seite sein will, kalkuliert mit 1,60 DM je Dollar. Der schnelle Wertverfall der US-Währung während der vergangenen Monate kostet sicher manchen Arbeitsplatz und bedeutet Gewinneinbußen. Aber Unternehmen mit einigermaßen erfahrenen Managern sind auf das gegenwärtige Dollar-Niveau durchaus vorbereitet.

Real fällt die Aufwertung des Euro überdies nicht ganz so kräftig aus, wie es der Vergleich der Wechselkurse suggeriert. Denn das Lohn- und Preisniveau in den USA ist zwischenzeitlich stärker gestiegen als das in Deutschland.

Und jetzt ernten die Europäer auch erstmals die immer wieder versprochenen, aber noch nie gesehenen Früchte der Währungsunion: Die Integration hat dazu geführt, dass die Handelsströme innerhalb Europas in den vergangenen Jahren weit stärker gestiegen sind als der Warenaustausch über den Atlantik. Europa ist damit robuster gegen Dollar-Schwankungen und unabhängiger von den USA geworden - und von der Haushaltspolitik nach Cowboy-Art, die Washington derzeit betreibt.

Schwäche als Chance

In der Dollar-Schwäche liegen sogar Chancen. Zum Ersten können die Politiker ihren Wählern dank des Euro einen vorzeigbaren Erfolg des Einigungsprozesses auf dem alten Kontinent präsentieren. Das mag sie beflügeln und auch in anderen Fragen zu schnelleren Kompromissen finden lassen.

Zum Zweiten treiben die schwierigeren Bedingungen für Exporte in die Vereinigten Staaten die wirtschaftliche Integration Europas voran. Zum Dritten: Womöglich beeindruckt die Wechselkurs-Situation doch noch die Europäische Zentralbank. Das könnte dazu führen, dass die Zinsen länger niedrig bleiben, als das bei einem stärkeren Dollar möglich wäre. Das wäre nur gut für den Aufschwung, der sich ganz allmählich abzeichnet.

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