Kommentar:Nur viel hilft viel

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VW kündigt an, bis 2025 rund 20 Milliarden Euro in die Elektromobilität zu stecken. Das ist viel Geld. Und das wächst für die Automobilhersteller nicht auf den Bäumen - zumal schon absehbar ist, dass die Gewinnspannen bei E-Autos geringer sein werden.

Von Max Hägler

Es sind zwei gewaltige Zahlen, die der Volkswagen-Konzern in den Raum gestellt hat: 20 Milliarden Euro will das Unternehmen in den kommenden Jahren in Elektromobilität investieren. Und E-Autos werden bald so stark nachgefragt, dass Audi, VW, Skoda, Seat und all die anderen Konzerntöchter in den kommenden zwölf Jahren für 50 Milliarden Euro E-Auto-Batterien einkaufen müssen. Eine Einkaufsliste, so groß, dass Volkswagen mit Geschäftspartnern Batteriefabriken bauen wird.

Enorme Summen - wenn auch über mehr als ein Jahrzehnt gestreckt. Zumal die anderen Hersteller zusammengenommen viele weitere Milliarden einplanen. Aber ist es genug, um der Elektromobilität wirklich zum Durchbruch zu verhelfen? Ist damit alles geklärt und die lautlose, emissionsfreie Mobilität also nah? Nun, unbestreitbar gilt wohl: Viel hilft dabei viel. Wenn Volkswagen mit solchen Zahlen hantiert, ist die Debatte damit auf ein neues Niveau gehoben, das Ziel also näher gerückt. Die Aussage von Vorstandschef Matthias Müller ist gerade richtig, um dem Thema Schwung zu verleihen - und damit langfristig die Städte ruhiger und sauberer zu machen. Denn neben Geld braucht es bei der Einführung von Neuem auch Anschieber mit Kraft und vielleicht auch guten Geschichten. Bei der Elektromobilität war es erst Elon Musk, dann BMW mit dem i3 - und jetzt ist es auch der VW-Konzern, der mit dem Thema natürlich auch den Dieselskandal ein wenig in die Archive moderieren will.

Noch haben die Manager aus Wolfsburg das Geld nicht ausgegeben, aber die Ausschreibungen etwa für die Batteriefabriken laufen schon. Es geht voran, auch bei den anderen Herstellern, die Elektrowagen entwickelt haben und sie ab dem kommenden Jahr in steigender Taktzahl auf den Markt bringen. Insofern ist der Ausruf von Volkswagen als einer der größten Hersteller der Welt zu lesen im Sinne von: Wir gehen jetzt in Führung und machen mit Nachdruck - und dann wird sich schon alles fügen: Etwa drei Millionen Wagen aus dem Konzern sollen im Jahr 2025 mit Batterien und damit Elektromotoren fahren.

Geklärt ist indes noch nicht alles. Auf der Frankfurter Automobilschau reden alle von Elektro, aber Volkswagen, BMW, Daimler, Citroën-Peugeot samt Opel zeichnen ein gemischtes Bild: Wir sind überzeugt von der E-Mobilität, sie wird kommen. Aber: noch immer sind so viele Fragen unbeantwortet. Deshalb weiß weiterhin niemand genau, wann wie viele Wagen elektrisch fahren. Auch die drei Millionen von VW sind: eine Annahme.

Mit noch viel mehr Geld wäre natürlich alles rasch zu lösen: Dann ließen sich noch schneller bessere Batterien entwickeln. Und zügig ließe sich dann Geld an die Kommunen auszahlen, damit die an ihren Laternen Steckdosen zum Laden installieren. Und gegebenenfalls ließen sich auch Rabatte geben, um Wagen zu attraktiven Preisen verkaufen zu können.

Das Milliardenpaket von VW wird nicht reichen, aber es kann ein Antreiber sein

Allerdings wächst das Geld - auch dieser Satz fällt mehrmals auf der Autoshow - nicht auf den Bäumen: Die Autohersteller mögen derzeit sehr profitabel sein, abgesehen von Opel, aber ihre Aktionäre wollen naturgemäß nur Projekte unterstützen, die Gewinn bringen. Das Management in allen Konzernzentralen rechnet schon ein, dass der Gewinn pro Wagen bei denen mit E-Antrieb geringer sein wird als bei denen mit Verbrenner. Aber nur draufzahlen, das geht auf Dauer auch nicht. Sein Unternehmen könne im Jahr 2020 die Hälfte aller Wagen mit Elektroantrieben ausrüsten, bringt es Carlos Tavares auf den Punkt, Chef von Citroën, Peugeot und inzwischen auch Opel. Unter einer Voraussetzung: Es muss sich damit halt Geld verdienen lassen.

Und mit Recht weisen er und alle seine Kollegen zunehmend auf eine offene Frage hin, die sich nicht allein von der Automobilindustrie lösen lässt, sondern eine politische und gesellschaftliche ist: Was genau nützen Elektroautos der Umwelt, wenn der Strom aus Kohle erzeugt wird? Dann stinkt es zwar nicht in der Stadt, aber woanders - und die klimaschädlichen Kohlendioxide kommen nicht aus dem Auspuff, sondern aus dem Großschornstein. Um dieses Problem zu lösen, also zugleich mit der Mobilitätswende auch noch die logisch verbundene Energiewende zu realisieren, wird das Geld von Volkswagen und den anderen nicht im Ansatz reichen. Aber die Automilliarden von Volkswagen könnten auch in diese Debatte Schwung bringen.

© SZ vom 13.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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