Kommentar:Nicht die Nerven verlieren

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Die erste Reaktion war verhalten und strafte frühere Befürchtungen Lügen. Den Schrecksekunden nach den Terroranschlägen in Istanbul folgte demonstrative Gelassenheit.

Von Marc Beise

(SZ vom 21.11.03) — Die Aktienkurse fielen, das schon, aber von Kurzschlussreaktionen konnte an den Weltbörsen keine Rede sein, glücklicherweise. Panik ist immer ein schlechter Ratgeber.

Aber auch bloße Unsicherheit ist nach einer bewährten Börsenregel schlecht für die Kurse - und Unsicherheit ist derzeit überall. Eine Meldung wie jene von der Evakuierung des Weißen Hauses schlug am Donnerstag Nachmittag unmittelbar auf die Börse durch.

Besonne Reaktionen

In der Summe aber und über den Tag betrachtet haben sich die Finanzmärkte besonnen gezeigt - anders als am 11. September 2001, als die Schockwellen des zusammenstürzenden World Trade Centers die Börsen mit sich nach unten rissen; den Dax um mehr als acht Prozent.

Der Unterschied: Der damalige Anschlag kam, im Wortsinne, aus heiterem Himmel über eine erfolgstrunkene Weltwirtschaft. Der folgenden Ausnüchterung ist ein neuer Realismus zu verdanken, der sich jetzt erstmals bewährt.

Frage der Auswirkung

Wichtiger als das Börsengeschehen ist die Frage, welche Auswirkungen die neue Terrorwelle auf die Fundamentalwirtschaft hat, etwa in Deutschland. Gerade ist die hiesige Volkswirtschaft zaghaft auf den Wachstumspfad zurückgekehrt.

Der Export legt weiter zu, die üblichen Frühindikatoren melden mehr Zuversicht, allen voran der Ifo-Geschäftsklimaindex. Zugleich aber ist eine vielerorts noch verzagte Stimmung nicht zu übersehen. Sie schlägt sich nieder in mangelnder Investitionsbereitschaft und fehlender Nachfrage.

Frustrierter Mittelstand

Der deutsche Mittelstand wirkt, allen Indizes zum Trotz, weiterhin ziemlich frustriert. Er traut der Zukunft nicht wirklich, weder der deutschen Wirtschaftspolitik noch der internationalen Lage und in Besoinderheit nicht der US-Außen- und Außenhandelspolitik.

Die Schwäche des Dollars könntes sich verstärken, der Export leiden, der Ölpreis in die Höhe gehen, das labile Verbrauchervertrauen weiter verfallen. Kurz: Der Aufschwung, auf den sich Deutschland soeben langsam vorbereitet, steht psychologisch auf wackeligen Beinen.

Wichtige Reaktion

Umso wichtiger wäre deshalb eine Jetzt-erst-recht-Reaktion. Vom Unternehmer bis zum Verbraucher sollte gelten: Wer Vertrauen in die Zukunft hat, wer an die eigene Stärke glaubt, der wird sich von äußeren Faktoren nicht paralysieren lassen.

Je intensiver sich eine Volkswirtschaft um Innovation und Wachstum bemüht, aus je mehr Quellen sie ihren Erfolg speist, desto leichter übersteht sie auch den Terror.

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