Kommentar:Nachsitzen mit Paris

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Wolfgang Schäuble will der Euro-Zone einen Europäischen Währungsfonds verpassen. Nur so, wie er es will, wird die Sache nicht funktionieren: Es fehlt der europäische Ansatz. Der Vorschlag dürfte extremen Parteien in den Nachbarländern nutzen.

Von Cerstin Gammelin

Die Idee ist paradox, auch wenn sie vom Bundesfinanzminister kommt. Wolfgang Schäuble will der Euro-Zone einen Europäischen Währungsfonds verpassen. Das klingt nach einer selbstbewussten Antwort aus Europa auf Donald Trumps Devise "Make America great again". Nur, so wie er will, wird es nicht funktionieren.

Das Vorbild für Schäubles Europäischen Währungsfonds (EWF) soll der Internationale Währungsfonds (IWF) in Washington sein. Als eine Art internationale Finanzpolizei hilft er weltweit von der Pleite bedrohten Staaten mit (teuren) Krediten aus, wenn sie als Gegenleistung ihre Wirtschafts- und Sozialsysteme reformieren. Geht es nach Schäuble, der sich mit Bundeskanzleramt und Bundesbank abgestimmt hat, bekommt der IWF einen kleinen Bruder in Europa, der sich allein um die 19 Staaten der Euro-Währungsgemeinschaft kümmert.

Schäubles Vorschlag, eine neue, mächtige Euro-Behörde aufzubauen, klingt nach Wahlkampf und nach Ärger, vor allem über die Institutionen in Washington und Brüssel. Der IWF strapaziert Schäubles Geduld, weil er den deutschen Exportüberschuss kritisiert und hohe Schuldenerleichterungen für Athen fordert als Bedingung dafür, dass er selbst Geld gibt. Schäuble will das nicht, und deshalb enthält seine Idee vom EWF die Botschaft an den IWF: Europa kann auch ohne euch.

Schäubles Vorschlag ist zu deutsch. Ihm fehlt das Entscheidende

Schäuble ärgert sich über die EU-Kommission, weil sie die Schuldenregeln der Euro-Zone nach Ansicht des Juristen Schäuble zu flexibel interpretiert und Sünder verschont, statt sie zu bestrafen. Die Stabilitätsprediger in der Berliner Wilhelmstraße fürchten, dass diese Großzügigkeit die Euro-Zone am Ende zerstören wird. Schäuble will das verhindern, indem er deutsche Stabilitätskultur verordnet und politische Einflussnahme minimieren will. Er will den Währungsfonds als zwischenstaatliche Behörde aufbauen, außerhalb der Europäischen Verträge. Damit hätten EU-Kommission und EU-Parlament keinerlei Mitspracherecht. Würde der Währungsfonds zudem die Abstimmungsregel aus dem bestehenden Euro-Rettungsfonds übernehmen, aus dem er aufgebaut werden soll, besäße Berlin de facto ein Vetorecht. Aus deutscher Sicht ist Schäubles Konzept grundsätzlich sinnvoll. Deutschland ist auf eine funktionierende Währungsunion angewiesen. Das ist nicht selbstverständlich, weil sie an dem Gründungsfehler krankt, dass die Geldpolitik von der Europäischen Zentralbank gesteuert wird, die Haushaltspolitik aber in den Hauptstädten. Weil der Mut fehlt, das zu ändern, entwickeln sich die 19 Euro-Länder in unterschiedliche Richtungen. Deutschland ist stolz auf die schwarze Null, andere Staaten kämpfen gegen steigende Schulden.

Der EWF soll helfen, das Auseinanderdriften zu stoppen. Dazu will Berlin die Kontrolle der Haushaltspolitik von der politisierten EU-Kommission auf den Fonds übertragen und zugleich in dessen Regeln eine Art Insolvenzordnung für Staaten festschreiben. Überschuldete Staaten sollen über einen Automatismus gezwungen werden, als Gegenleistung für etwaige Hilfskredite die Staatsschulden über einen Schuldenschnitt zu reduzieren.

Das passt ins Konzept der Union, die im Wahlkampf Sicherheit verspricht, auch finanzielle und wirtschaftliche. Jenseits der deutschen Grenzen erzeugt der Plan nur Kopfschütteln. Er läuft darauf hinaus, dass nationale Regierungen und Parlamente wichtige Haushaltsrechte an einen von Deutschland dominierten Fonds abgeben. Und darauf, dass hoch verschuldete Staaten ihre Schulden noch teurer finanzieren müssen. Es liest sich wie ein Konjunkturprogramm für extreme Parteien in den Nachbarländern.

Zugleich fehlt dem Vorschlag das Entscheidende: der europäische Ansatz. Schäuble und seine Mitstreiter erheben die deutsche Sicht zum Maßstab für die Euro-Zone, ohne den Partnern anzudeuten, was sie für deren Einlenken anzubieten haben. Sie versäumen es, eine Brücke für einen europäischen Kompromiss zu bauen. Dafür muss deutsche Regeltreue mit dem französischen Ansatz von mehr Flexibilität versöhnt werden. Sollte künftig in Paris ein Präsident regieren, der Europa die Treue hält, kann die Bundesregierung den ersten Schritt dazutun, indem sie schlicht abwartet, was der Neue im Élysée für die Euro-Zone anbietet. Es bedarf mindestens deutscher Zurückhaltung, um Paris zu ermöglichen, als Partner auf Augenhöhe in die Verhandlungen zurückzukehren; womöglich braucht es sogar neue EU-Vordenker in Berlin. Statt im Streit um Schuldenerleichterungen mit einem EWF zu drohen, sollte die Idee nach den Wahlen in beiden Hauptstädten zusammen neu gedacht werden.

© SZ vom 03.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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