Kommentar:Manager, Minister, Manager

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Berliner Politiker regen sich schnell auf und zuweilen erstaunlich schnell wieder ab. So wie beim Thema Alfred Tacke.

Von Nikolaus Piper

Am Donnerstag beriet der Wirtschaftsausschuss des Bundestages über den Wechsel des Staatssekretärs aus dem Wirtschaftsministerium zum Energieversorger Steag.

Vorher hatte die Opposition Zeter und Mordio geschrien. Das stinke zum Himmel, ließ der FDP-Vorsitzende Westerwelle verlauten. Nach der Sitzung war die CDU ganz zahm: Der Wechsel gehe schon in Ordnung.

Zwischendrin hatte der CDU-Abgeordnete Reinhard Göhner, im Hauptberuf Geschäftsführer der Bundesvereinigung des deutschen Arbeitgeberverbände, seine Kollegen pro Tacke eingeschworen.

Gute Beispiele...

Aber ist damit alles in Ordnung? Darf einer der wichtigsten politischen Beamten Berlins so einfach seine Karriere planen? Beamtenrechtlich ist die Sache klar: Alfred Tacke wird seine Versorgungsansprüche nicht in den neuen Job mitnehmen. Aber das ist auch nicht der Punkt.

Niemand hat Tacke vorgeworfen, ein Raffke zu sein. Das Problem liegt ausschließlich in der umstrittenen Ministererlaubnis, die Tacke für die Fusion der Energieunternehmen Eon und Ruhrgas gegeben und damit eine Entscheidung des Bundeskartellamts außer Kraft gesetzt hatte.

Eon ist an der RAG beteiligt und die Steag, Tackes neuer Arbeitgeber, ist eine Tochter der RAG. Überdies hat die RAG die Mehrheit an der früheren Eon-Tochter Degussa erhalten. Chef der RAG ist Tackes früherer Chef, Ex-Wirtschaftsminister Werner Müller. Die Ministererlaubnis ist zwar schon zwei Jahre her, aber kommt es darauf an?

Natürlich sollte der Jobwechsel zwischen Wirtschaft und Staat normal sein. Wer ein Unternehmen erfolgreich leitet, kann auch ein Ministerium voranbringen, wer eine politische Reform durchsetzt, der hat vermutlich auch das Zeug, um eine Firma aus der Krise zu führen.

Politiker ist ein anstrengender, und im Grunde nicht sehr attraktiver Job. Man arbeitet viel und wird angefeindet, man muss weitgehend auf ein Familienleben verzichten und verdient dabei viel weniger Geld als Manager in vergleichbarer Verantwortung.

Kein Wunder, dass nicht immer die Besten und Begabtesten in die Politik und an die Spitze der Verwaltung streben. Wären die Grenzen zwischen Politik und Wirtschaft durchlässiger, fände sich mehr gutes Personal für Spitzenämter, Managementwissen würde für das Gemeinwesen genutzt, politische Karrieren wären attraktiver.

Positive Beispiele für den Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft gibt es. Robert Rubin kam von der Wall Street und arbeitet jetzt wieder an der Wall Street. Dazwischen war er unter Bill Clinton einer der erfolgreichsten Finanzminister Amerikas.

Helmut Kohls Berater Horst Teltschik ging zu BMW und organisiert heute die Sicherheitskonferenz in München. Und vermutlich hätte Siemens-Chef Heinrich von Pierer auch einen guten Bundespräsidenten abgegeben.

...und schlechte

Es gibt aber auch die negative Beispiele. Zum Beispiel Amerikas Vizepräsident Dick Cheney. Seine Verbindungen zum Energieunternehmen Haliburton setzen ihn dem Verdacht aus, Aufträge für den Wiederaufbau im Irak seinen früheren Kollegen zuzuschustern.

Oder der frühere EU-Kommissar Martin Bangemann, der zur spanischen Telefongesellschaft Telefonica wechselte, einem Unternehmen, für das er zuvor in Brüssel zuständig war.

Der Fall Bangemann zeigt besonders klar, wo das Problem mit dem Jobwechsel von Politikern und Spitzenbeamten liegt: Immer dort, wo sich die Aufgaben der Behörde mit dem Geschäft des neuen Arbeitgebers berühren. Und das betrifft in Deutschland besonders das Bundeswirtschaftsministerium.

Eigentlich ist das Ministerium als ordnungspolitische Instanz konzipiert, die über den konkreten Interessen steht. So hatte der erste Minister Ludwig Erhard sich das gedacht: Das Ministerium sollte die Sache der wirtschaftlichen Vernunft vertreten, nicht die konkreter Unternehmen.

In der Praxis hat man es damit dann nicht so genau genommen. In der Ära Kohl gab es einen Parlamentarischen Staatssekretär Erich Riedl, dessen einzige und erklärte Aufgabe Lobbyarbeit für die Luft- und Raumfahrtindustrie war.

Und weil sie mit einer Verfügung Beschlüsse des Bundeskartellamts über den Haufen werfen können, sind Wirtschaftsminister immer wieder versucht, konkrete Industrieinteressen gegen den Wettbewerb, also gegen das Allgemeininteresse durchzusetzen.

Das ist besonders misslich, weil eine wettbewerbsneutrale Regulierung des Energiesektors in Zukunft noch wichtiger werden wird, wie die Debatten um die jüngsten Energiepreiserhöhungen gezeigt haben.

Die Ministererlaubnis, die Alfred Tacke einst für Eon und Ruhrgas gegeben hat, ist denn auch der einzige, aber auch der entscheidende Hinderungsgrund für den geplanten Jobwechsel.

Auch wenn es keinerlei Hinweise auf eine interessengeleitete Verfehlung des Staatssekretärs gibt - die Gefahr der Verquickung von Interessen ist viel zu groß; und die Gefahr, dass die Öffentlichkeit künftig wie selbstverständlich von so einer Verquickung ausgeht.

Tacke sollte in die Wirtschaft gehen, wenn er gute Angebote hat. Aber nicht zur Steag.

© SZ vom 10.09.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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