Kommentar:Lohn der Angst

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Die drastischen Kostensenkungen der vergangenen Jahre zahlen sich aus. Die Löhne steigen und die Arbeitsproduktivität verbessert sich, die Hoffnung auf höhere Investitionen und bald auch steigende Beschäftigtenzahlen ist nicht mehr unbegründet. Das Beste, was die Regierung jetzt tun kann, ist Kurs halten.

Von Nikolaus Piper

Wenn die Stimmung trübe ist, werden gute Nachrichten gerne übersehen. So könnte es auch den neuen Wirtschaftszahlen des Statistischen Bundesamtes zum zweiten Quartal 2004 ergehen. Ja, die Statistik hat unschöne Aspekte: Das Staatsdefizit wird erneut die Maastricht-Grenze von drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts kräftig überschreiten.

Die Inlandsnachfrage bleibt schwach, die Konsumausgaben der privaten Haushalte sind zurückgegangen - kein Wunder angesichts der grassierenden Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes, vor der Praxisgebühr und HartzIV.

Auch die Investitionen der Unternehmen bleiben hinter den Erwartungen zurück. Trotzdem ist die deutsche Wirtschaft im Jahresvergleich um zwei Prozent gewachsen - dank eines exorbitanten Anstiegs der Exporte um rund 13 Prozent gegenüber 2003.

Die Zahlen zeigen: Die Hoffnung auf einen echten Aufschwung in Deutschland ist inzwischen gut begründet. Eine Wachstumsrate von zwei Prozent ist auch im internationalen Vergleich durchaus beachtlich. Der Exportanstieg zeigt, dass die deutschen Unternehmen trotz des teuren Euros international wettbewerbsfähiger geworden sind.

Höhere Löhne, mehr Produktivität

Das ist der Lohn der drastischen Kostensenkungen der vergangenen Jahre. Außerdem sind die Löhne, aller unsinnigen Arbeitskämpfe zum Trotz, vergleichsweise langsam gestiegen. Die Arbeitsproduktivität hat sich ebenfalls verbessert, unter anderem, weil der Krankenstand in den Betrieben gesunken ist.

Bleibt es bei diesen Zahlen, dann dürften die Fabriken in der zweiten Jahreshälfte deutlich besser ausgelastet sein. Dies hätte höhere Investitionen zur Folge und bald auch steigende Beschäftigtenzahlen.

Aber was ist mit der Inlandsnachfrage? In der Tat bleibt die Stimmung der Verbraucher gedrückt. Die Einkommen der Arbeitnehmer sind geschrumpft, und von dem Wenigen haben sie noch mehr gespart.

Hartz hilft langfristig

Muss man also Hartz IV zurücknehmen, um die Kaufkraft der kleinen Leute zu schonen, so wie es die Montagsdemonstranten in Leipzig, Magdeburg und anderswo fordern? Das Argument klingt bestechend, führt aber exakt in die falsche Richtung. Die Sozialreformen der Agenda 2010 zielen nicht auf kurzfristige Konjunktureffekte. Sie sollen tiefe Strukturprobleme des deutschen Wohlfahrtsstaates lindern und langfristig mehr Wachstum und Beschäftigung ermöglichen.

Wenn die deutsche Wirtschaft jetzt vom Wachstum der Weltwirtschaft profitiert, dann erleichtert dies die Reformen, ganz einfach weil die Opfer der Betroffenen kleiner werden; der Aufschwung macht die Reformen aber nicht überflüssig.

Das Beste, was die Regierung jetzt tun kann, ist Kurs halten, in Sachen Hartz IV und bei den Reformen überhaupt. Wenn sich zeigt, dass die Dinge in Deutschland wirklich besser werden, wenn die Regierung ihre Ziele vermitteln kann, dann fassen Unternehmer und Verbraucher Vertrauen in die Zukunft.

© SZ vom 25.8.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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