Kommentar:Leise Warnungen

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Mit jedem Cent, um den sich der Euro zuletzt verteuert hat, ist auch die Besorgnis europäischer Politiker und Wirtschaftsführer gestiegen.

Von Martin Hesse

(SZ vom 09.01.04) - Einige unter ihnen bedrängten die Europäische Zentralbank (EZB), den Euro-Anstieg durch Dollarkäufe oder eine Zinssenkung zu stoppen, um die Schmerzen der Exportwirtschaft zu lindern.

Die EZB hat gut daran getan, diese Stimmen zu ignorieren. Sie ist der Preisstabilität innerhalb der Eurozone verpflichtet, ein Wechselkursziel verfolgt sie zu Recht nicht.

Sollte allerdings der Euro weiter und vor allem dauerhaft steigen, eröffnet sich der Notenbank ein Spielraum, die Geldpolitik zu lockern, weil die Inflationsgefahr sich verringert und gleichzeitig die Risiken für Wachstum und Beschäftigung zunehmen.

Zu erratisch

Würde die EZB ihre Politik an den Kapriolen der Devisenmärkte ausrichten, hätte sie alle Hände voll zu tun. Zu erratisch sind dort die Bewegungen und nur lose ist der Zusammenhang zwischen Kursausschlägen und Veränderungen der realen Wirtschaft.

Erst in den vergangenen vier Wochen und nur um etwa fünf Prozent ist der Euro über das Niveau hinaus gestiegen, zu dem er 1999 eingeführt wurde.

Niemand wäre damals auf die Idee gekommen, einen zu starken Euro zu beklagen. Auch heute haben die Europäer allen Grund, gelassen zu sein: Der Euro hat sich vor allem gegenüber dem Dollar verteuert, im Vergleich zu anderen wichtigen Währungen wie Pfund oder Yen ist der Anstieg sehr moderat geblieben.

Nur rund zehn Prozent der deutschen Exporte gehen aber in den Dollar-Raum. Auf der anderen Seite hat die Euro-Aufwertung vielen Branchen geholfen, ihre Kosten zu drücken, da Importe, vor allem Öl, deutlich billiger geworden sind.

Erste Warnsignale

Man mag der EZB vorwerfen, sie habe dazu eingeladen, weiter auf einen steigenden Euro zu wetten. Die erste Marktreaktion legt diese Auslegung nahe. Doch die Spekulanten sollten sich ihrer Sache nicht allzu sicher sein. EZB-Präsident Trichet hat erste Warnsignale an die Akteure an den Devisenmärkten gegeben.

Die Notenbank wird den Euro-Anstieg nicht auf Dauer untätig verfolgen. Erstmals sprach Trichet von den Risiken der Aufwertung und zeigte sich besorgt wegen der Übertreibungen an den Devisenmärkten.

Hilft die jetzt verabreichte homöopathische Dosis nicht, um den Höhenflug des Euro zu bremsen, könnte Trichet stärkere Mittel anwenden und eine Zinssenkung in Aussicht stellen. Auf eine bestimmte Grenze, von der ab die EZB Handlungsbedarf sieht, wird er sich dabei nicht festlegen: Das wäre wirklich eine Einladung zur Spekulation.

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