Kommentar:Langweilig, aber klug

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Vor wenigen Jahren galt BMW als Vorreiter bei der E-Mobilität. Doch mit diesem Image ist es vorbei. Der neue Konzern-Chef will das auch nicht mehr ändern. Im Gegenteil: BMW soll künftig ein ganz normaler Autobauer sein - eine pragmatische Taktik.

Von Max Hägler

Manchmal braucht es den Blick von weit außen, um Unterschiede deutlich herauszuarbeiten. Per Twitter entbot Tesla-Gründer Elon Musk einen Gruß über den Atlantik - und hat so die verschiedenen Strategien der deutschen Autohersteller bloßgestellt. "Herbert Diess tut mehr als jeder andere große Autobauer für die Elektromobilität", schrieb er an den Volkswagen-Chef. Dass Musk, der unbestritten bedeutendste Pionier der E-Mobilität, dem VW-Manager seine Unterstützung zusicherte, obwohl der gerade unter Beschuss der Staatsanwaltschaft ist, lässt die Botschaft noch wertvoller erscheinen: So sehr hat Diess die vergangenen Monate den früheren Dieselskandal-Betrieb VW auf Elektro getrimmt, mit diesen Autos namens "ID", dass Musk schon recht hat, wenn er sagt: VW ist beinahe schon Avantgarde, jedenfalls ziemlich cool also für einen Konzern, der bislang Werbespots mit Helene Fischer machte. So was geht gut runter, zumal in einem Jahr, in dem heftig zum Klimaschutz gerungen wird. (Wobei die Diskussion, inwieweit E-Autos in der Gesamtschau wirklich nachhaltiger sind als gute Verbrenner, auch zu führen ist.)

Die Münchner wollen keine Pioniere mehr sein. Das ist schlicht zu teuer

Und es schmerzt diejenigen, die früher deswegen bewundert wurden. Vor wenigen Jahren noch war BMW der große Autobauer, der sich anschickte, elektrisch zu werden. Anfang des Jahrzehnts hatten die Bayerischen Motoren Werke einen batteriebetriebenen Kohlefaser-Leichtbau samt Holzarmaturenbrett entwickelt: So etwas wie den "i3" hatte die Welt noch nicht gesehen. Nun wird die Fertigung dieses Autos wohl bald eingestellt. Einen Nachfolger gibt es nicht; der nächste E-BMW wird ein schnöder SUV sein, in den ein E-Motor hineingeschraubt wird.

Das Image vom bayerischen E-Pionier mit Weltgeltung ist leider dahin. Und der ganz neue BMW-Chef, Oliver Zipse, will das auch nicht mehr retten. Im Gegenteil: BMW soll künftig ein ganz normaler Autobauer sein, in der sogenannten Premiumliga zwar, aber ohne große Experimente. Alle Arten von Antrieben sollen künftig unter den BMW-Hauben stecken, aber doch möglichst häufig noch margenstarke Benzin- und Dieselaggregate. Es ist so ganz anders als die VW-Linie. Und es ist enttäuschend, wie eine Firma einen selbsterarbeiteten Vorsprung verspielen kann, bis dann eine andere mit Vollgas überholt. Das wirkt langweilig und mutlos.

Und dennoch könnte der BMW-Weg, abgesehen vom verschenkten Image, der richtige sein, zumal, wenn man auch das Wohlergehen der 130 000 Beschäftigten im Blick behält. Die Branche ist unter Stress, wegen der Handelskriege, wegen der neuen Technologien und immer strengerer Regularien. Fast überall gehen die Renditen wegen gestiegener Kosten gefährlich nach unten, bei BMW tagte gerade der Aufsichtsrat auch dazu. Und hernach haben selbst die Betriebsräte intern das Adjektiv "dramatisch" gebraucht.

Hier ist einer der guten Gründe zu suchen, wieso BMW kein Pionier mehr sein will: Es ist zu teuer. Trotz aller Bekanntheit macht Elon Musk mit Tesla bislang nur rote Zahlen. Auch bei BMW haben sie über viele Jahre Geld versenkt mit dem i3, der auf speziellen Bändern (und Backöfen, wegen der Kohlefasern) gefertigt wird. Die Nachfrage hat zwar angezogen, doch wie viele Leute wollen wie schnell E-Autos? Die Antwort hat weiter niemand. Und BMW will sich ihr nicht mittels eines weiteren teuren Versuchs nähern und die Nachfrage auch nicht allzu sehr befeuern. So sehr es auch dem Image dienlich wäre: Dazu ist BMW, bei aller Größe, zu klein. Selbst der nach Mitarbeitern fünfmal so große VW-Konzern sucht bei seiner E-Offensive die Zusammenarbeit mit Ford. Denn nur über sehr hohe Stückzahlen lässt sich mit E-Autos etwas verdienen, für deren Bau zugleich nur halb so viele Arbeiter benötigt werden wie bislang.

Stattdessen haben sie bei BMW - auch auf nachvollziehbaren Druck der Arbeitnehmer hin - eine pragmatische Taktik gewählt: Kein ultraspannendes, teures E-Unikat mehr. Sondern an einem Band bauen, was die Kunden haben wollen, und die Gesetze vorschreiben. China fordert Elektroautos? Dann pflanzt man eben diese Technik in einen SUV, anstatt eines Verbrennermotors; oder beides, Hybrid genannt. In den USA wollen sie dicke Benziner? Dann schwebt ein solcher Motor ans Fabrikband. Seit Jahren planen sie bei BMW diese ultraflexible Produktionsart. Es ist ein Auf-Sicht-Fahren statt einer Vision, und die Autos sehen dann alle in etwa gleich aus, egal, was sie unter der Haube haben. Das ist tatsächlich langweiliger als die eigene i-Story oder die neue Strategie von VW. Aber schon auch klug: Es ist Avantgarde in der Produktion.

© SZ vom 30.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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