Kommentar:Im Geflecht der Kontrolleure

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Theoretisch sind deutsche Aufsichtsräte mächtig. Sie können die wirtschaftliche Entwicklung eines Unternehmens beobachten und bei Bedarf eingreifen - zum Wohle von Aktionären und Mitarbeitern. In der Praxis lässt sich solch segensreiches Wirken selten beobachten.

Von Alexander Hagelüken

Legende ist die Zahl der Fälle, in denen die vermeintlichen Kontrolleure von der Schieflage des Unternehmens wie beim Holzmann-Konzern völlig überrascht werden.

Als sich Jürgen Schrempp Ende April vom Milliardengrab Mitsubishi trennen musste, hatten ihn nicht die Aufsichtsräte gezwungen, sondern die eigenen Vorstandskollegen.

Immer noch wirkt das berüchtigte Geflecht der Deutschland AG nach, in der sich ein paar Hand voll Industrie-Manager gegenseitig beaufsichtigte - will sagen: In Ruhe ließ.

Peinliche Rolle

Auch die Vertreter der Arbeitnehmer bilden oft keine rühmliche Ausnahme, wie die peinliche Rolle von Klaus Zwickel beim Millionenscheck für Ex-Mannesmann-Chef Klaus Esser zeigt.

EU-Binnenmarktkommissar Frits Bolkestein darf einige Sympathie verbuchen, wenn er den Aufsichtsräten mehr Biss verleihen will. Aktiengesellschaften brauchen unabhängige Kontrolleure, die das Management stoppen, bevor es das Unternehmen abwirtschaftet und Arbeitsplätze gefährdet.

Eine bessere Arbeit der Kontrolleure bedeutete mehr Glaubwürdigkeit für das marktwirtschaftliche Modell, das durch Fälle wie Mannesmann unter Beschuss ist.

Der erzliberale Bolkestein hat präzise Vorstellungen, wie er falsche Freundschaftsdienste des Überwachungsgremiums verhindern will. Taktisch geschickt kleidet er seine Ideen in die Form einer Empfehlung. Bei diesem Instrument können ihm weder die Mitgliedsstaaten noch das Europaparlament hereinreden.

Sogwirkung

Bolkestein kalkuliert offenbar, dass sich Regierungen und Unternehmen bei diesem Symbolthema der Sogwirkung eines EU-weiten Vorschlags kaum entziehen können, selbst wenn davon keine rechtliche Bindung ausgeht.

In den Details wirken manche von Bolkesteins Ideen allerdings schwer zu handhaben. Es erscheint sinnvoll, die Praxis zu erschweren, wonach Vorstandschefs den Vorsitz des Aufsichtsrates übernehmen und quasi weiterregieren.

Grundsätzlich alle Ex-Vorstände und dominante Aktionäre von der Kontrolle fern zu halten, könnte ein praktisches Problem aufwerfen: Womöglich finden sich nicht mehr genug kompetente Aufseher für das Gremium.

Bolkestein sollte sein Konzept einem Realitätstest unterwerfen - sonst könnten diejenigen die Oberhand gewinnen, denen die ganze Richtung nicht passt.

© SZ vom 18.06.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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