Kommentar:Hauptsache unabhängig

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Wie man sich Reputation verschafft, konnte die EZB-Führung jahrzehntelang bei der Deutschen Bundesbank verfolgen. Und sie hält sich ans Erlernte. Jetzt müssen andere Ziele ins Augenmerk geraten.

Von Helga Einecke

Politischer Druck und Nervosität am Devisenmarkt sind ein schlechtes Umfeld für die Senkung von Leitzinsen. Einer Notenbank europäischer Prägung haften Tugenden wie Stabilität und Unabhängigkeit an. Es ist deshalb keine Überraschung, dass die Europäische Zentralbank (EZB) die Zinsen unverändert ließ.

In der vergangenen Woche hatten die Regierungschefs von Deutschland und Frankreich unverblümt eine Verbilligung des Geldes gefordert. Dem kann die EZB nicht nachgeben, ohne sich dem Verdacht der Beeinflussbarkeit auszusetzen. Die Deutschen kennen diesen Konflikt. Schon die Bundesbank baute ihre Reputation auf, indem sie politischem Druck nie nachgab.

Schwankungen beunruhigend

Mehr Kopfzerbrechen muss der EZB das Auf und Ab des Euro-Kurses machen. Zwar erleichtert der etwas gesunkene Wert der europäischen Währung die Entscheidung, die Zinsen unverändert zu lassen. Einem zu starken Euro kann die EZB nur mit sinkenden Zinsen oder Eingriffen am Devisenmarkt begegnen.

Bisher hat sich ihr Präsident Jean-Claude Trichet mit verbalen Interventionen begnügt, in denen er starke Wechselkursschwankungen als nicht wünschenswert bezeichnete. Aber Worte allein dürften den Euro kaum vor einer weiteren und kräftigeren Aufwertungswelle bewahren.

Dabei hätte die EZB Grund, einen letzten Zinsschritt nach unten zu wagen. Der Aufschwung in Europa verlangsamt sich, anstatt sich zu beschleunigen. Es fehlen noch immer eindeutige Zeichen einer sich selbst tragenden Konjunktur. Die Verbraucher zögern mit dem Konsum, und es mangelt an Investitionsbereitschaft. Da wäre eine Zinsverbilligung ein willkommenes Signal.

Inflationsgefahr niedrig

Wichtiger für die Notenbank aber sind die sinkenden Risiken für die Preisentwicklung. Im Februar ist die Inflationsrate im Euroraum auf ihren tiefsten Wert seit vier Jahren gefallen. Dies hängt auch mit dem Euro-Kurs zusammen, der die Preise der Einfuhren verbilligt. Sollte dieser Trend anhalten, muss die EZB aufpassen, ihr Ziel, den Anstieg der Lebenshaltungskosten knapp unterhalb von zwei Prozent zu halten, nicht nach unten zu verfehlen.

Die Inflationsrisiken beginnen zu schwinden, der Anstieg der Geldmenge hat sich abgeflacht. Dazu gehören Bargeld und schnell verfügbares Geld auf Konten, das von den Anlegern zunehmend in andere Anlagen umgeschichtet wird. Entscheidend ist bei der Entwicklung der Preise und der Geldmenge der Blick in die Zukunft. Sinkende Leitzinsen brauchen in Europa fast ein ganzes Jahr, bis sie ihre volle Wirkung auf die Wirtschaft entfalten.

© SZ vom 5.3.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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