Kommentar:Guter Abgang

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So unaufgeregt, wie er seinen Abschied organisiert hat, so führte Heinrich von Pierer das Unternehmen. Trotzdem hat er den Traditionskonzern stark gewandelt.

Von Karl-Heinz Büschemann

Das hat Heinrich von Pierer sauber hinbekommen. Schon lange wurde darüber spekuliert, wann der 63jährige Vorstandsvorsitzende der Siemens AG seinen Chefposten räumen würde.

Immer wieder wurden Namen für die Nachfolge genannt. Doch Pierer hat fast alle genarrt. Mal hat er seinen Rücktritt auf unbekannte Zeit verschoben, mal nahm er neue Mitglieder in seinen Vorstand auf, so dass das Rätselraten über seinen Nachfolger immer wieder von Neuem beginnen konnte.

Jetzt hat er seinen Rücktritt für Ende Januar angekündigt und Klaus Kleinfeld als Nachfolger bestimmt und damit Börse wie Medien überrascht.

Aktienkurs verdreifacht

So unaufgeregt, wie er seinen Abschied organisiert hat, so führte Heinrich von Pierer das Unternehmen. Trotzdem hat er den Traditionskonzern stärker verwandelt als seine Vorgänger.

Um ein Erfolgskriterium zu nennen: In den zwölf Jahren an der Spitze von Siemens hat sich der Aktienkurs des Konzerns etwa verdreifacht.

Zudem hat Pierer, der als Jurist an der Spitze dieses von Ingenieursgeist beherrschten Unternehmens ein Novum war, immer wieder überrascht.

Auf sein Konto geht die Abspaltung des Halbleiter-Geschäfts in die eigenständigen Gesellschaften Epcos und Infineon — eine Revolution für Siemens.

Kostendenken verankert

Er ist dafür verantwortlich, dass das Kostendenken stärker Fuß fasste als in den Jahrzehnten zuvor.

Nicht zuletzt der jüngste Krach mit seinen Arbeitnehmern über die Ausweitung der Arbeitszeit in einigen deutschen Werken und das Zugeständnis des Betriebsrates zur Rettung deutscher Arbeitsplätze trägt die Handschrift Pierers.

Wenn es hart wird, trifft er immer noch den richtigen Ton und sorgt für ein Ergebnis, mit dem alle Seiten ihr Gesicht waren können.

So kam er zeitweilig auf die Kandidatenliste von CDU/CSU, als diese einen Bundespräsidenten suchte.

Wandel bei Siemens

Wer die bürokratischen Strukturen von Siemens aus den achtziger Jahren vor Augen hat, weiß, was der Manager in zäher Überzeugungs-arbeit geleistet hat. Er hat den Konzern modernisiert, ohne sich im Quartalsdenken zu erschöpfen.

Die Wahl des 46jährigen Klaus Kleinfeld zum Nachfolger ist ein Indiz dafür, dass der Wandel bei Siemens weitergehen wird, dass sich der Traditionskonzern aber nicht den Predigern des modischen Shareholder-Value-Denkens ausliefern wird.

Kleinfeld hat als Chef von Siemens in den USA bewiesen, dass er ein schlecht laufendes Geschäft schnell sanieren kann. Aber er ist ein klassisches Eigengewächs des Hauses. Das lässt erwarten, dass bei Siemens weiterhin Augenmaß herrschen wird.

© SZ vom 08. Juni 2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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