Kommentar:Gleiche Regeln für alle

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Die EU-Kommission will einheitliche europäische Regeln für Plattform-Angebote wie den Fahrdienst Uber oder die Zimmervermittlung Airbnb schaffen. Das ist ein notwendiger Schritt - im Sinne der Bürger.

Von Jan Willmroth

Der Fortschritt macht vor dem Gesetz nicht halt. Die Bürger Europas freuen sich seit dem Beginn des Internetzeitalters in verlässlich steigender Frequenz über neue Möglichkeiten. Immer öfter werden sie Zeuge, wie neue Geschäftsmodelle entstehen oder bestehende sich verändern, bis eine Regulierung nicht mehr zur Realität passt. Mal steht dabei ein jahrzehntealtes und vor mehr als zwanzig Jahren zuletzt überarbeitetes Gesetz im Weg, wie hierzulande im Fall des Fahrdienstes Uber; mal gibt es überhaupt keine Regeln, wie anfangs für die Zimmer- und Wohnungsvermittlungen Airbnb, Wimdu oder 9 Flats.

Wenn der Fortschritt die Gesetzgebung überholt, stellt sich zwangsläufig die Frage, wie eine zeitgemäße und sozial verträgliche Regulierung aussehen sollte. Im Fall der sogenannten "Collaborative Economy" (zu Deutsch etwa "Gemeinschaftswirtschaft"), zu der die genannten Angebote gehören, ist diese Frage noch nicht beantwortet. Das will die EU-Kommission jetzt tun: Die Brüsseler Behörde hat Leitlinien vorgestellt, nach denen die Rechtsbasis für diesen jungen Wirtschaftszweig europaweit möglichst einheitlich sein soll - und möglichst marktfreundlich. Das wirft weitere Fragen auf: Handelt es sich um einen Bereich, der unbedingt auf europäischer Ebene geregelt werden sollte? Und gehen die Vorschläge der Kommission in die richtige Richtung?

Firmen müssen mit einer Vielzahl nationaler Eigenheiten zurechtkommen

Von einer einheitlichen Rechtsbasis ist man derzeit weit entfernt. In der EU entsteht gerade ein Flickenteppich unterschiedlicher Gesetze, die je nach Land, Bundesland oder Kommune eigene Regeln vorsehen für Chauffeur-Dienste oder für Menschen, die ihre Wohnung untervermieten. In Berlin ist es seit Kurzem verboten, dauerhaft Wohnungen per Airbnb zu vermieten, ähnliche Regeln gibt es etwa in München, Hamburg und Köln. In London funktioniert Uber reibungslos, in Spanien ist es weitgehend verboten, in Deutschland haben die Gesetze Uber stark ausgebremst. Anstatt als Dienstleister in einem gemeinsamen Binnenmarkt aufzutreten, müssen sich solche Firmen im Kleinen an nationalen Eigenheiten orientieren. Das ist mühselig und ineffizient; hier verfehlt die EU bisher ihren Anspruch.

Damit sich das ändert, hat die Brüsseler Kommission im Mai ihre Strategie für einen digitalen Binnenmarkt vorgelegt. Die jetzt veröffentlichten Leitlinien bedeuten eine Ergänzung dazu - vor allem sind sie gut. Sie sind keine direkte Richtlinie, die in nationale Gesetze übersetzt werden müsste, vielmehr bietet die EU ihren Mitgliedern eine Orientierungshilfe: Dort, wo die digitalen Dienstleister nicht die Sicherheit der Kunden, die Rechte ihrer Mitarbeiter oder die Steuergesetze missachten, sollte möglichst wenig verboten werden, um Innovation, Wachstum und neue Jobs nicht zu gefährden.

Wenn Unternehmen wie Uber oder Airbnb den europäischen Markt erschließen, dann ist das zunächst im Sinne der Bürger, der Konsumenten. Während Uber neue Mobilitätsalternativen schafft und für mehr Wettbewerb in der Personenbeförderung sorgt, schafft Airbnb eine Alternative zu klassischen Hotels und Herbergen. Der Bürger hat mehr Auswahl und kann sich über sinkende Preise und transparentere Märkte freuen. Warum sollte das nicht überall nach zumindest ungefähr gleichen Regeln geschehen, ob in Lissabon oder Helsinki?

Diese gleichen Regeln müssen allerdings auch den Schutz der Bürger und der Anbieter auf den Plattformen gewährleisten. Die EU-Kommission stellt dazu die richtigen Fragen. Es ist ein wichtiger Unterschied, ob jemand seine Privatwohnung vermietet, während er auf Geschäftsreise ist, oder ob ein Wohnungseigentümer dauerhaft Airbnb-Gäste hat, weil er dadurch mehr verdient. Es ist etwas anderes, ob ein Chauffeur-Unternehmer auch für Uber fährt, oder ob ein einzelner Mietwagenfahrer als Scheinselbstständiger nur Fahrten über die Uber-Plattform annimmt. Wer für die nötigen Versicherungen aufkommt, ob Anbieter und Plattformen ausreichend Steuern zahlen, wo genau die Grenze zwischen Arbeitnehmern und Selbständigen verläuft: All dies muss geklärt werden, im Sinne der Bürger und Unternehmen am besten länderübergreifend. Auch deshalb ist die Orientierungshilfe aus Brüssel begrüßenswert.

Wer nun denkt, die EU mache sich lediglich zum Erfüllungsgehilfen des Silicon-Valley-Kapitalismus, der irrt: Gerade Milliardenfirmen wie Uber können es sich leisten, für jedes Land und jede Stadt eine eigene Strategie auszuarbeiten. Werden die Regeln für Angebote der Sharing Economy vereinheitlicht, rückt das auch die Wettbewerbsbedingungen wieder gerade. Damit neue Ideen und Möglichkeiten auch weiterhin eine Chance haben.

© SZ vom 03.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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