Kommentar:Für die zweite Reihe

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Der Sachverstand von Friedrich Merz ist gefragt. Es war falsch, dass er nicht als Partei-Vize kandidiert hat. Seine Fans hoffen, dass er trotzdem bleibt - auch ohne Spitzenamt.

Von Cerstin Gammelin

Die Niederlage ist für Politiker in der DNA ihres Berufsstandes angelegt. Wer sich in demokratische Wettbewerbe begibt, muss damit rechnen, darin überstimmt zu werden. Die entscheidende Frage ist dann, wie man anschließend damit umgeht. Schaut man nach vorne im Dienste der Partei? Oder zieht man sich zurück? Und ausgerechnet hier ist Friedrich Merz, der Hoffnungsträger des wirtschaftsnahen und konservativen Flügels der CDU, gerade dabei, das Falsche zu tun und sich zurückzuziehen.

An diesem Mittwoch hat er die Chance, das noch zu korrigieren. Merz will in Berlin auftreten und seine Fans hoffen, dass er genauer erklären wird, wie er künftig seine Partei dabei unterstützen will, an Kraft und Stärke zu gewinnen. Nach seiner Niederlage in der Stichwahl um den Parteivorsitz am vergangenen Freitag hatte Merz darauf verzichtet, als Partei-Vize oder für das mächtige Präsidium zu kandidieren. Er mag persönliche Gründe dafür gehabt haben, falsch war es trotzdem. Es überrascht deshalb nicht, dass seine Fans es nicht hinnehmen wollen, dass Merz, der einem Kometen gleich gerade erst am Firmament der CDU aufgestiegen war, ebenso schnell in der Realität verglüht. Und so wird die Idee ventiliert, wenn Merz schon nicht die CDU führen darf, dann doch mindestens das Bundeswirtschaftsministerium.

An dieser Idee ist einiges bizarr. Zunächst einmal die anstandslose Vermischung von Partei und Regierung. Ja, sicher, die CDU regiert, sie ist im Bündnis der drei Koalitionspartner sogar rein zahlenmäßig der größte. Und, ja, die Parteivorsitzende hat ein gewichtiges Wort mitzureden bei der Besetzung von Ministerposten und damit des Kabinetts. Faktum ist aber auch, dass das Amt vergeben ist. Die CDU stellt bereits den Wirtschaftsminister. Er heißt Peter Altmaier. Es grenzte an Hinterzimmergemauschel, tauschte die CDU mal eben so ihren Minister aus.

Was die Sache wesentlich verkompliziert, ist, dass der Wirtschaftsflügel der CDU dem Wirtschaftsminister aus den eigenen Reihen in herzlicher Abneigung zugetan ist. Und daraus keinen Hehl macht. Man brauche "wieder mehr Verstand und Marktwirtschaft", lässt die Mittelstandsvereinigung öffentlich wissen, in der Energie- und Umweltpolitik, bei Unternehmensteuern und der Reform der Währungsunion. Für vieles davon ist Altmaier zuständig. Ohne seinen Namen zu nennen, steht plötzlich ein riesiges Fragezeichen hinter seiner Kompetenz. Und, wen wundert's, ein potenzieller Nachfolger mit ausgewiesener Wirtschaftserfahrung bereit: der Unternehmer Friedrich Merz.

Das ist zweifelsohne ein ungewöhnlicher Vorgang. Wobei man wissen muss, dass die hochgradige Unzufriedenheit der eigenen Leute mit Altmaier nicht nur dessen blasser Performance im Amt geschuldet ist. Rein verbal hat der Minister zwar schon ein halbes Dutzend Batteriezellenwerke eröffnet, den Soli abgeschafft, den Handelskrieg beendet und die Energiewende vollendet. Praktisch aber gleicht sein Haus einem Bermudadreieck, das alles anzieht und verschluckt. Dass manche in der CDU beinahe unverhohlen den Austausch des Ministers fordern, geht aber auch auf die Wut zurück, die sich seit 2015 angestaut hat. Damals hatte der Vertraute von Angela Merkel als Kanzleramtschef und später Flüchtlingskoordinator die Sorgen der Menschen über die Migranten immer wieder gern kleingeredet.

Man kann gewichtige Argumente dafür finden, den amtierenden Wirtschaftsminister abzulösen oder zumindest mal die Leviten zu lesen. Aber was bitte schön spricht dafür, dass es Merz besser machen würde? Gewiss, er hat es als Unternehmer zu einigem Wohlstand gebraucht und sich in den vergangenen Wochen als glühender Vertreter des Leistungsprinzips inszeniert. Merz punktete mit einer "Agenda für die Fleißigen" im Land. Diejenigen, die anpacken und etwas leisten, sollten profitieren. Das Problem ist nur, dass Merz im entscheidenden Augenblick eben selbst nicht geliefert hat. Als er es in der Hand hatte, Kopf und Herz der Delegierten des CDU-Parteitages zu gewinnen, lieferte er eine Leistung ab, die nicht zum Sieg und damit zum politischen Spitzenjob reichte. Sondern zum Platz in der zweiten Reihe.

Und genau diesen Platz sollte er jetzt einnehmen statt sich wieder in die Privatwirtschaft zu verabschieden oder auf einen schnellen Posten im Kabinett zu spekulieren. Merz hat es selbst immer wieder gesagt: nächstes Jahr im Mai findet mit der Europawahl eine richtungsweisende Abstimmung statt. Danach werden viele Karten neu gemischt. Stellt sich Merz bis dahin demütig in den Dienst seiner Partei, wird sie es ihm womöglich danken.

© SZ vom 12.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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