Kommentar:Fast nichts gemeinsam

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Auf dem G-7-Gipfel präsentierten sich die USA eher als Gegner denn als Partner. So ging es um den kleinsten gemeinsamen Nenner, aber auch der ist wichtig.

Von Cerstin Gammelin

Seit Donald Trump ins Weiße Haus eingezogen ist, haben sich die europäischen Partner aufs Schönreden verlegt. So lobte der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble am Samstag im italienischen Bari den Lernprozess des größten Verbündeten der Europäer in den höchsten Tönen. Er sei optimistisch, etwa in der Handelspolitik bald Zugeständnisse aus Washington zu hören. Dumm nur, dass US-Kollege Steven Mnuchin zur selben Zeit verkündete, er freue sich, dass die Partner begännen zu verstehen, dass die neue Handelspolitik der Administration Trump auch ihnen nützen werde.

Um es klar zu sagen: Schäuble und Mnuchin waren auf derselben Veranstaltung, auf dem zweitägigen Gipfel der Finanzminister und Notenbankchefs der sieben größten westlichen Volkswirtschaften (G 7). Es war das erste Treffen in diesem Kreise nach dem Machtwechsel in Washington im Januar. Die Erklärungen der Minister aus Deutschland und den USA spiegeln den Zustand wider, in dem sich das einst mächtigste Gremium weltweit befindet. Die westlichen Führungsmächte liegen über Kreuz in entscheidenden Finanz- und Wirtschaftsthemen. Aus der G 7 ist eine G-6-plus-1 geworden. Sechs Partner plädieren für freie Märkte, die USA setzen auf "America first" und Abschottung.

Mit der Machtübernahme durch Trump wächst die Gefahr, dass der westliche Block bröckelt

US-Finanzminister Mnuchin leistete in Bari erheblichen Widerstand gegen das in Vor-Trump-Zeiten selbstverständliche Bekenntnis für freien Handel. Es bedurfte der vereinten Kraft der Partner aus Japan, Kanada, Großbritannien, Frankreich, Italien sowie Deutschland, um ihn zu einer Minimallösung zu bewegen. In der Abschlusserklärung findet sich nun ein Satz, in dem die G 7 erklären, dass Handel volkswirtschaftlich nützlich ist. Praktisch gesehen ist dieses Bekenntnis nichtssagend. Schäuble bezeichnet den Satz trotzdem als Erfolg. Er sei besser als nichts, weil er immerhin eine Grundlage dafür bilde, beim nächsten Gipfel wieder über Handelspolitik reden zu können.

Auch die Steuerpolitik ist umstritten. Sechs Partner sehen mit Sorge, dass die USA die Steuern für Unternehmen drastisch senken wollen. Sie fürchten Steuerdumping, einen Steuerwettlauf nach unten. Freilich äußern sie die Sorge nicht offen, sondern verkünden aus diplomatischen Gründen ein ums andere Mal, man warte ab, welche Steuerreform Washington tatsächlich verabschieden werde.

Auf verschiedenen Seiten kämpfen die USA und die Europäer auch bei der Einführung einer Steuer für die Nutzung des Internet. Die Europäer wollen, dass Internetgiganten wie Google oder Apple sogenannte Schürfrechte erwerben müssen, wenn sie im europäischen Internetraum Daten absaugen, mit denen sie dann Geschäfte machen und Milliarden Euro verdienen. Die US-Administration ist freilich gegen eine solche Internetsteuer. Die Gespräche in Bari brachten keine Fortschritte, der kleinste gemeinsame Nenner ist eine Arbeitsgruppe, die bis 2018 Vorschläge erarbeiten soll.

Man kann an dieser Stelle einwenden, dass Abschlusserklärungen von G-7-Treffen rechtlich nicht verbindlich sind. Das stimmt, ist aber nur die halbe Wahrheit. Wichtig sind die Erklärungen dennoch, weil sie Orientierung geben und Geschlossenheit demonstrieren. Bisher war es so, dass die G 7 ganz selbstverständlich durch gleiche freiheitlich liberale Werte und Interessen verbunden waren. Traten die G-7-Staaten geschlossen auf, war es für andere Staaten oder Staatengemeinschaften weltweit praktisch unmöglich, den westlichen Block zu überstimmen.

Mit der Machtübernahme durch Trump wächst die Gefahr, dass der westliche Block bröckelt und weltweit an Einfluss verliert. Schon mit dem Ausscheiden Russlands aus der früheren G 8 ist ein wichtiges Mitglied verloren gegangen. Moskaus Ausschluss nach der Annexion der Krim hat das Gremium allerdings keineswegs in existenzielle Sorgen gestürzt, im Gegenteil. Ohne Russland war es im Zweifel sogar einfacher, die westlichen Interessen abzustimmen. Ohne die USA wäre das Gremium obsolet.

Eine Gruppe der G 6 würde im globalen Gerangel schnell untergehen. Nicht nur, weil der Einflussbereich kleiner wäre ohne USA. Sondern auch, weil sich andere, machtvollere Bündnisse bilden könnten. Wer kann ausschließen, dass sich Trump Asien oder China zuwendet? Für Deutschland wie für Europa wäre der Zerfall der G 7 mit weitreichenden wirtschaftlichen Konsequenzen verbunden. So gesehen, ist ein nichtssagender Satz in einer gemeinsamen G-7-Erklärung tatsächlich besser als keiner. Bescheinigt er doch zumindest auf dem Papier, dass es G 7 auch beim Handel noch gibt.

© SZ vom 15.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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