Kommentar:Falscher Artenschutz

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Die Apotheker schreien auf, weil ein Internethändler einen Automaten aufstellt. Der verteilt in der Provinz Medikamente - ein richtiger Schritt, um gerade dort Patienten zu versorgen. Der Gesetzgeber sollte ihm das erlauben.

Von Elisabeth Dostert

Im Jahr 2014 war die Welt in der Gemeinde Hüffenhardt noch in Ordnung. Apotheker Reinhold Fuchs versorgte die Menschen mit Medikamenten, Hustenbonbons, Cremes und allerlei, was Gesundheit und Pflege dient. Gut 2000 Einwohner hat die Gemeinde. Bis nach Bad Rappenau sind es gut sechs Kilometer, bis nach Haßmersheim gut fünf. Auch dort gibt es Apotheken. Anfang 2015 ging Fuchs in Rente. Einen Nachfolger fand er nicht, auch nicht der Bürgermeister der Gemeinde, der sogar Anzeigen schaltete. So entdeckte die niederländische Versandapotheke Doc Morris das Dorf. Sie stellte dort einen Automaten auf. Per Video beriet ein Mitarbeiter aus den Niederlanden die Kunden und prüfte Rezepte. Der Automat warf dann das gewünschte Medikament aus.

Viele Apotheker sehen in solchen Automaten eine weitere Bedrohung durch Doc Morris. Sie ärgerten sich schon über das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom Herbst 2016. Es gestattet ausländischen Versendern, deutschen Kunden Boni auf verschreibungspflichtige Medikamente zu gewähren. Im Hüffenhardt-Streit bekamen diesmal die Apotheker recht. Doc Morris musste den Automaten abschalten. Das Landgericht Mosbach folgte den Argumenten des baden-württembergischen Apothekerverbandes. Der Automat sei kein Versandhandel, sondern eine Art Apotheke. Und für die braucht es eine Betriebserlaubnis. Dagegen klagt Doc Morris jetzt beim Verwaltungsgericht Karlsruhe.

Gut so: Doc Morris kämpft jetzt vor Gericht für seinen Automaten

Das ist gut. Denn es geht um die grundsätzliche Frage, wie die Bevölkerung möglichst sicher und gut mit Arzneimitteln versorgt werden kann.

Die Apotheker tun so, als seien sie die Einzigen, die eine flächendeckende Versorgung leisten können. Aus vielen Orten wie Hüffenhardt haben sie sich allerdings schon zurückgezogen, bevor die Konkurrenten aus dem Internet auftauchten, weil sich kein Nachfolger fand. In Landkreisen wie der Uckermark im Nordosten oder Lörrach im Südwesten kommen auf 100 000 Einwohner weniger als 23 Apotheker. Genauer schlüsselt die Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) in ihrem Jahresbericht 2016 die Dichte nicht auf. Warum nur? Eine größere Aufschlüsselung würde wohl zeigen, dass manche Landstriche längst apothekenfrei sind, weil sich das Geschäft dort nicht lohnt. Ein Automat wie der von Doc Morris würde dort die Versorgungssicherheit erhöhen.

Viele Apotheker tun so, als ob es ihnen in erster Linie um das Wohl der Patienten ginge. Damit verbrämen sie ihre eigentlichen Absichten. Sie sind wie Doc Morris und der Schweizer Eigentümer Zur Rose Unternehmer. Sie wollen und müssen Gewinn erzielen, um zu existieren. Das ist völlig in Ordnung.

Die Dichte der Apotheken ist womöglich auch nicht das beste Maß für die Versorgung. In Griechenland kommen auf 100 000 Einwohner 87 Apotheken, in keinem Land der EU sind es mehr. In Dänemark, Schlusslicht der ABDA-Tabelle, sind es sieben. Ist die Versorgung in Griechenland deshalb um ein Vielfaches besser als die in Dänemark? Eher nicht.

Wenn Automaten ein Weg sind, die Versorgung zu verbessern, dann sollte er auch genutzt werden dürfen. Die Gesetze und Verordnungen sollten entsprechend überarbeitet werden. Die Versorgung ist jedenfalls kein Grund, Apotheker zu schützen, als seien sie ein vom Aussterben bedrohtes Reptil.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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