Kommentar:Falsche Empörung über Raffkes

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Den Apothekern werden derzeit unverschämte Forderungen unterstellt. Doch die Kritiker liegen falsch. Unverschämt sind jene Politiker, die unter Gedächtnisschwäche leiden.

Von Andreas Hoffmann

Die Empörungswilligen sind unterwegs im Gesundheitswesen. Sie sprechen von einem "Schlag in das Gesicht des Patienten", von "unverschämten" Forderungen, und Sozialministerin Ulla Schmidt droht bereits mit neuen Gesetzen.

Die Adressaten der starken Worte sind die Apotheker. Sie dürfen auf einen Geldsegen hoffen, sollen ihnen die Kassen doch mehrere hundert Millionen Euro überweisen. Dank sei der Gesundheitsreform.

Verstehen kann die Rückzahlung keiner. Der Patient nicht, der sieht, dass Pillen und Arztbesuch teurer werden; auch nicht der Arbeitnehmer, der auf dem Gehaltszettel nüchtern feststellt, dass die Beiträge nicht gesunken sind. Dieses Unverständnis wollen die Empörungswilligen nutzen und geißeln das Raffketum der Apotheker.

Anspruch durchaus berechtigt

Diesmal liegen die Kritiker falsch. Der Anspruch ist durchaus berechtigt; er ist sogar im Gesetz angelegt. Die Apotheker sollten entschädigt werden, falls durch die Reform weniger Arzneipackungen über die Ladentheken gehen.

Man wollte Preisregeln für Medikamente ändern, und darunter sollten die Apotheker nicht leiden. Also ersannen die Politiker, insbesondere von CDU und FDP, bei den parteiübergreifenden Gesprächen einige Klauseln, um die mittelständischen Betriebe zu schonen.

Nun erinnern die Apotheker an die Verabredungen, auch weil sich die Reform teilweise stärker auswirkte als geplant. Die Patienten gingen seltener zum Arzt und trugen so weniger Rezepte in die Läden. Zugleich griffen die Bürger nicht mehr so oft zu rezeptfreien Pillen, weil sie diese aus der eigenen Tasche bezahlen müssen. All dies spürten die Apotheker und pochen nun auf die Schutzklauseln. Das ist ihr gutes Recht. Mehr nicht.

Gedächtnisschwäche

"Unverschämt" sind also nicht die Forderungen der Apotheker. Unverschämt ist die Empörung mancher Fachleute und Politiker. Sie haben vor zwei Jahren die Regeln ausgehandelt und spielen dem Volk nun Gedächtnisschwäche vor.

Besonders unrühmlich treten die Kassen auf. Deren Vertreter hatten besonders auf die Regeln gedrängt, und nachdem die Politiker sie erhört hatten, reden einzelne Kassenmanager nun von "schlampiger Politik". Damit verabschieden sich manche Funktionäre als seriöser Gesprächspartner.

Gesundheitspolitik lebt von Verlässlichkeit. Bürger und Betriebe müssen auf das Wirken der Politik vertrauen können, das gilt auch für Apotheker. Nur Vertrauen führt zu mehr Investitionen, nur Vertrauen lässt die Menschen mehr Waren kaufen und bringt die Wirtschaft in Schwung.

Ein Hin und Her von Gesetzen verunsichert nur. Rot-Grün hat genug für Hektik gesorgt.

© SZ vom 19.05.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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