Kommentar:Es ist überstanden

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Eigentlich hatte die Bundesregierung große Ambitionen für die G-20-Präsidentschaft, vor allem Kanzlerin Angela Merkel erhoffte sich viel davon. Nun dürften viele in Berlin froh sein, dass man den Vorsitz wieder los ist.

Von Cerstin Gammelin

Es kommt nicht häufig vor, dass ein Vorhaben so schiefgeht wie die deutsche G-20-Präsidentschaft. Eine vernetzte Welt zu gestalten hatten sich die Planer im Kanzleramt als Motto ausgedacht für die zwölf Monate, in denen Deutschland dem einflussreichsten globalen Gremium vorstand. Jetzt, am Ende der Präsidentschaft, ist man froh, dass es überhaupt noch ein wenn auch sehr grobmaschiges globales Netz gibt und ansonsten kein größerer Schaden entstanden ist.

Gemessen an den Umständen ist es legitim, dieses Minimalergebnis als Erfolg zu verkaufen. Die G 20 sind eine der wichtigsten globalen Organisationen, sie sind sozusagen geballte Wirtschaftsmacht: In den versammelten Industriestaaten und Entwicklungsländern leben zwei Drittel der Weltbevölkerung, sie erwirtschaften fast neunzig Prozent des globalen Bruttosozialprodukts. Nur diese Stärke versetzt die G 20 in die Lage, die Aufgabe zu erfüllen, für die sie vor fast zwanzig Jahren gegründet wurden: Gemeinsam wollte man internationale Krisen wie die der Bankenwelt 2008 bewältigen, künftige Krisen abwenden und ein vernünftiges Miteinander organisieren. Eben gestalten in der globalisierten Welt.

Am deutschen Leitsatz für G 20 hat es also nicht gelegen, dass die Rechnung am Ende nicht aufging. Und auch nicht an der Idee von CDU-Chefin Angela Merkel, die G 20 ausgerechnet im Wahlkampfjahr nach Deutschland holen zu wollen. Im Gegenteil, aus ihrer Sicht hatte das Vorhaben parteipolitisch durchaus Charme. Die Bundeskanzlerin hätte als Chefin auf der globalen Bühne agiert; sie hätte sich präsentieren können als Vorkämpferin für Klimaschutz, gerechte Steuern, kontrollierte Banken, freien Handel und natürlich für eine globale Verteilung der Flüchtlinge und Hilfen für Afrika. Das alles sind globale Themen, die den Bürgern in Deutschland wichtig sind. Merkels Ruf als Garantin für die Stabilität Deutschlands wäre zu verteidigen gewesen, aus den internationalen Auftritten wäre innenpolitisch Kapital erwachsen. Wäre nicht der Protektionist Donald Trump zum US-Präsidenten gewählt worden.

Der unerwartete Einzug des umstrittenen Präsidentschaftskandidaten ins Weiße Haus änderte die internationale Gemengelage derart grundlegend, dass die deutsche Agenda für die G-20-Präsidentschaft schlicht implodierte, fiel sie doch plötzlich in eine Zeit unerwarteter weltwirtschaftlicher Umbrüche. Der Prozess der weltweiten Vernetzung von Unternehmen, Standorten und Verbrauchern, gepriesen als Motor des Wohlstandes, stand plötzlich zur Debatte.

Amerikas Präsident deklarierte sein Land, die größte Handelsmacht der Welt, kurzerhand zum Verlierer der Globalisierung. Trump kündigte internationale Handelsabkommen, stieg aus dem Pariser Klimavertrag aus und drohte damit, Importzölle zu verhängen. Waren bis dahin immer Ideen gefragt gewesen, um Staaten wie China oder Indien in die G 20 einzubinden, waren es nun plötzlich die Vereinigten Staaten, die ausscherten. Trump trug seine "America first"-Politik so vehement vor, dass die G 20 kurz davorstanden, ihr stärkstes Mitglied zu verlieren. Und Merkel stand vor einem Balanceakt: Sie musste versuchen, den bis dahin wichtigsten Verbündeten der westlichen Welt vom Nutzen des Multilateralismus zu überzeugen, ohne dabei aber andere Staaten zu verprellen. Zugleich durfte sie ihre innenpolitische Agenda nicht aus den Augen verlieren.

Wie heikel das Unterfangen war, zeigen die Verhandlungen um die Strafzölle auf Stahlimporte: Schon im Juni hatte das Weiße Haus durchblicken lassen, dass es beabsichtige, Stahlimporte aus China, Deutschland und Italien mit hohen Einfuhrzöllen zu belegen. Zu Begründung verwies der US-Präsident auf einen eigens in seiner Handelsabteilung erstellten Bericht, wonach die Überkapazitäten jenseits der USA die Amerikaner benachteiligten. Trump war daher fest entschlossen zum G-20-Gipfeltreffen nach Hamburg gereist. Nur in einer konzentrierten Aktion, in die sich in der Gipfelnacht auch Merkel selbst einschalten musste, gelang es, ihn davon abzubringen, ausgerechnet auf Merkels Vorzeigegipfel Strafen gegen die ohnehin geschwächte Stahlindustrie zu verhängen. Öffentlich wären die G 20 sonst zerrissen und als unnachgiebige Konkurrenten aufgetreten - und die CDU-Chefin innenpolitisch beschädigt gewesen. Man einigte sich darauf, weiterzureden statt sich zu bekämpfen.

Am 1. Dezember nun ist die Verantwortung für das Weiterreden auf Argentinien übergangen, was in Berlin einige Stoßseufzer ausgelöst haben wird. Ganz raus ist Deutschland aber nicht: Der Streit um die Strafzölle ist nur vertagt, nicht gelöst.

© SZ vom 01.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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