Kommentar:Erfolgreicher Hasardeur

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Der Börsengang von "Premiere" kann das gesamte deutsche Fernsehsystem umkrempeln.

Von Hans-Jürgen Jakobs

Mittwoch war ein besonderer Tag für ARD und ZDF, und es wird manchen in den öffentlich-rechtlichen Anstalten noch nicht einmal aufgefallen sein.

Georg Kofler hat ein Kunststück fertiggebracht: Sein Nonvaleur ist plötzlich eine gefragte Aktie. (Foto: Foto: dpa)

Seit diesem Tag hat das private Fernsehen, das seit zwei Jahren vorwiegend Bodenverluste meldet, einen neuen Helden: Er heißt Georg Kofler, leitet das Bezahlfernsehen "Premiere" und hat das zirzensische Kunststück fertig gebracht, mit seinem einst hoch defizitären Betrieb an der Börse 1,2 Milliarden Euro zu erlösen.

Das ist Rekord - und ermöglicht dem von Adrenalinstößen bewegten TV-Investor nunmehr alle möglichen kühnen Angriffe auf die zuletzt immer erfolgreicher gewordenen Öffentlich-Rechtlichen.

Blattschuss

Die Verhältnisse ändern sich, weil Kofler mit diesem Blattschuss die Banken wieder vom Medienmarkt begeistert. Die 1,2 Milliarden Euro fließen zum großen Teil Finanzinstituten zu, die in der Ära des Pleite gegangenen Leo Kirch und seiner abgehobenen Premiere-Weltpläne viel Geld aufs Spiel gesetzt hatten.

Nun aber kann Kofler, der erfolgreich hasardierende Nachfolger, mit neuen Anleihen, Krediten, Kapitalerhöhungen und Aktientauschgeschäften neue Deals finanzieren.

Das alles erinnert zwar an das Muster der unglückseligen EM.TV AG, die Ende der neunziger Jahre die Medienwelt in Atem gehalten hat. Während aber EM.TV-Gründer Thomas Haffa im Marketingzauber dem Reiz des Glamourösen erlag, ist Kofler ungleich disziplinierter: Das macht ihn gefährlich.

Die Politik freut sich

Und die Politik, die konservative zumal, freut sich über einen Pfadfinder in das unwegsame Gelände des digitalen Zukunftsfernsehens.

Wachstum aber gelingt auch dem blendendsten aller Aktienverkäufer in diesem Markt nur, wenn sich ARD und ZDF bescheiden - oder wenn vielleicht etwas wegfällt, zum Beispiel das Erste Programm in der bisherigen Form.

Das ist der Hintersinn all der Lobbyarbeit, die Kofler zuletzt in Brüssel bei der EU-Kommission und in wichtigen deutschen Staatskanzleien betrieben hat. Öffentlich forderte er ARD und ZDF bereits auf, das System der Rundfunkgebühren auf Freiwilligkeit umzustellen.

Für ihn handelt es sich um eine Art staatlich garantiertes Bezahlfernsehen, das im Unterschied zu Premiere jeden erfasst. Diesen Mechanismus auszuhebeln ist die Grundbedingung für seinen Erfolg, der beim aktuellen Börsengang - realistisch gesehen - im nötigen Volumen noch gar nicht vorhanden war.

Rechte hin- und herschieben

Die One-Man-Show wird dazu führen, dass Kofler wichtige Sportrechte bis hin zu Olympia den Öffentlich-Rechtlichen wegkauft. Dass er für viel Geld die Fußball-Bundesliga davon überzeugt, eine Sendung wie Sportschau erst spät am Samstagabend oder sogar erst am Sonntag zu erlauben. Dass er werbefinanzierte Sender wie das DSF akquiriert, um Rechte hin- und herzuschieben und Werbung füreinander zu machen. Dass er schöne Fernsehfilme produziert, die Kulturpreise bekommen.

Kurzum: Dass er die Lücke füllt, die die großen Privat-TV-Gruppen von RTL und Pro Sieben Sat1 in ihrer Sparmanie und Couponschneider-Mentalität gerissen haben. Sie müssen mit eigenem Pay-TV nachziehen.

Neue Abenteuerlust

Es wird also wieder lebendig im Fernsehgeschäft. Die Lähmung nach der Kirch-Insolvenz weicht neuer Abenteuerlust. Schon immer mag sich Börsen-Star Kofler insgeheim als wahrer Kronprinz des Leo Kirch, seines langjährigen Arbeitgebers, gefühlt haben - nun kann er de facto die Rolle einnehmen.

"Warum sind Sie denn so aufgeregt?", hat WDR-Intendant Fritz Pleitgen vor Monaten mit Psychiater-Miene seinen Gesprächspartner Kofler in einer öffentlichen TV-Diskussionsrunde gefragt. Die Antwort: Wer aus einem Nonvaleur einen "Blue Chip" der Börsianer machen kann, der bringt am Ende womöglich auch dieses "duale Rundfunksystem" zu Fall.

Und die Bürger werden fürs Fernsehen mehr zahlen müssen. Das ist die wahre, aufregende Lehre dieser Premiere.

© SZ vom 10.03.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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