Kommentar:Eine Chance für Macron

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Kaum ist er gewählt, kommen die deutschen Schulmeister und erklären, der neue französische Präsident dürfe keine Hilfe erwarten, schon gar keine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa. Das ist wenig hilfreich.

Von Leo KliMm

Emmanuel Macron steht vor einer kolossalen Aufgabe. Der künftige Präsident Frankreichs muss das Land wirtschafts- und sozialpolitischen Veränderungen unterziehen und ihm zugleich Vertrauen zurückgeben. Doch Reformen stiften zunächst Unsicherheit - bevor sie, irgendwann, vielleicht, positiv wirken.

Die Wahl Macrons offenbart die Spaltung Frankreichs. Hier jene, für die er eine Hoffnung ist. Dort die, die keine Hoffnung mehr haben. Die anfällig sind für die gefährlichen Rezepte der Populisten. Diese Spaltung zu überwinden, das ist die Herausforderung an die Macron-Ökonomie. Macrons Programm ist ein neuer Ansatz. Er hat eine Chance verdient. Auch beim wichtigsten Partner, Deutschland.

Rezepte der exportorientierten deutschen Wirtschaft lassen sich nicht einfach übertragen

Doch da kommen schon die deutschen Schulmeister - konservative und liberale Politiker, Ökonomen, Unternehmer - und erklären mit argwöhnischem Reflex, Macron dürfe keine Unterstützung erwarten, schon gar keine Vergemeinschaftung von Schulden in Europa. Er müsse Frankreich selbst flottbekommen. Solche Belehrungen sind politisch wenig hilfreich. Sie verkennen auch, dass der neue Präsident selbst weiß, wo die strukturellen Ursachen für niedriges Wachstum und hohe Arbeitslosigkeit liegen: in Frankreich, wo sonst. Der Frust darüber, wie wenig in den vergangenen Jahren reformiert wurde, war der Antrieb Macrons, in die Politik zu gehen. Mehr Finanzsolidarität innerhalb der Euro-Zone, die in Deutschland so gefürchtet wird, gehört auch zu seinem Plan. Aber zuerst will er sich als Reformer im eigenen Land beweisen.

Dabei orientiert er sich mehr am skandinavischen Beispiel als an deutschen Hartz-Reformen: Die Macron-Ökonomie ist ein klassisch sozialliberales Programm, das die Wettbewerbsfähigkeit Frankreichs steigern und den ineffizienten Sozialstaat umbauen, aber den sozialen Gedanken bewahren soll. Macron will Bremsen für Investitionen und für die Schaffung von Jobs lösen, indem er das Arbeitsrecht flexibler macht, die Lohnnebenkosten drückt und Unternehmenssteuern senkt. Teure Sonderkassen für die Renten privilegierter Berufsgruppen will er abschaffen, die Zahl der Beamten etwas verringern und den Druck auf Arbeitslose erhöhen. Zugleich plant er, viele Milliarden in Bildung insgesamt und in Weiterbildung von Erwerbslosen insbesondere zu investieren. Gleichzeitig soll die Arbeitslosenversicherung für Selbständige geöffnet werden. Bei alledem verspricht Macron, das Staatsdefizit sofort unter die EU-Grenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung zu drücken. Ein Versprechen vor allem an die Deutschen, das zumindest im ersten Jahr schwer zu halten sein wird.

Denn es stimmt: Macrons Plan ist kein drakonisches Sparprogramm, wie es sich deutsche Budget-Fetischisten erträumen. Er leitet auch nicht die Verwandlung der etatistisch geprägten Wirtschaft in eine ultraliberale Ökonomie ein. Das ist auch weder politisch möglich noch wünschenswert. Allein mit Einschnitten bekämpft man keine Hoffnungslosigkeit. Macron wird scheitern, wenn er denen, die nie richtig in Frankreich integriert wurden, oder denen, deren Jobs durch technologischen Fortschritt und Niedriglohnländer verschwinden, keine Perspektive bietet. Zugleich ist das, was er vorhat, unvergleichlich viel ehrgeiziger als alle Wirtschaftsreformen der vergangenen drei Jahrzehnte.

Es wird hart für den jungen Präsidenten. Er wird daran gemessen werden, ob er die soziale Spaltung mindert. Dazu muss er erst einmal die Möglichkeit erhalten, sein Programm anzuwenden: Nach der Parlamentswahl im Juni könnte Macron eine Mehrheit gegen sich haben. Auf der Straße organisieren kleine, aber laute und radikale Gewerkschaften bereits den Protest gegen ihn. Andererseits: Eine Hälfte des Landes unterstützt Macron. Und die konjunkturellen Rahmenbedingungen, die für Reformen auch eine Rolle spielen, bessern sich.

In dieser Gemengelage sollte Deutschland zu den konstruktiven Faktoren gehören. Das setzt etwa die Anerkenntnis voraus, dass Frankreichs Ökonomie von der Nachfrage abhängt - und Rezepte für die exportorientierte deutsche Wirtschaft daher nicht immer übertragbar sind. Am wichtigsten ist aber, Macron nicht zu entmutigen. Seine Leistung muss sich lohnen. Wenn er es also schafft, schnell Reformen in seinem Land anzustoßen, wird die künftige Bundesregierung nicht wieder neue Vorwände gegen eine Vertiefung der Euro-Zone suchen dürfen. Denn Macron hat im Grundsatz recht: Die Währungsunion braucht eine Politik, die sie wirtschaftlich eint. Sonst bleibt auch Europa schwach und gespalten.

© SZ vom 12.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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