Kommentar:Ein Risiko namens Scholz

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Der Finanzminister macht genau das, was ihm die Bankenlobby eintrichtert und viele Deutsche glauben: Er erzählt, eine europäische Einlagensicherung sei gefährlich. Dabei setzt Olaf Scholz aufs Spiel, was er vorgibt, zu schützen: das Vermögen der Bürger.

Von Jan Willmroth

Der Bundesfinanzminister ist nach neuesten Umfragewerten zum "wichtigsten" deutschen Politiker aufgestiegen, noch vor Angela Merkel. Für die Lobbyisten der deutschen Finanzindustrie ist er das schon länger, und wer in der abgelaufenen Woche genau hinhörte, vernahm von ihnen Jubelschreie. Olaf Scholz hat endgültig alle Hoffnungen zerstört, die Bankenunion könnte doch noch bald vollendet werden, um einen wesentlichen Baustein ergänzt, die europäische Einlagensicherung, kurz "Edis". Scholz' Auftritt in Brüssel machte deutlich: Edis wird frühestens in einigen Jahren kommen. Vielleicht auch nie.

Worum geht es genau? Vor vier Jahren hat Europa endlich die Bankenunion auf den Weg gebracht. Gemeinsame Währung, gemeinsame Bankenaufsicht, gemeinsame Abwicklungsregeln: Das ist die Logik. Um zu verhindern, dass es während einer Finanzkrise zu Anstürmen auf die Banken eines betroffenen Landes kommt, fehlt als dritte Säule, dass die Kundengelder bei allen Banken der Eurozone gleichermaßen abgesichert sind. Spanier, Iren, Italiener könnten damit genauso auf die Sicherheit ihrer Ersparnisse vertrauen wie die Deutschen.

Der Minister verbreitet Unsinn und setzt das Vermögen der Bürger aufs Spiel

Vor allem von deutscher Seite wird über dieses Thema emotional gestritten. Sein technischer Charakter aber, eingewoben in Tausende Seiten europäischer Finanzmarkt- und Bankenregulierung, ist der Allgemeinheit nicht mehr zugänglich. Das nutzen Scholz und seine Einflüsterer aus, um Politik mit Desinformation zu machen. Sie schüren die Angst, deutsche Sparer müssten bald mit "ihrem Geld" für Pleitebanken im Rest Europas haften. Dieser Unsinn muss aufhören: Es geht in erster Linie darum, Banken der Euro-Zone nicht mehr mit Steuergeld aufzufangen, wenn Kunden im Fall einer Pleite um ihre Ersparnisse fürchten. Mit Edis müssten alle Banken gegenseitig ihre Einlagen versichern; die ESM-Rettungsprogramme wären mit einem solchen System viel kleiner ausgefallen.

Der Sozialdemokrat Scholz tritt noch rigoroser auf als sein konservativer Vorgänger Wolfgang Schäuble. Dieser hatte Edis nie ganz ausgeschlossen, was klug war und Spielraum für Kompromisse offen ließ. Scholz vernichtet diesen Spielraum, er käut nur noch wieder, was ihm Funktionäre der Bankenlobby und Spitzenbeamte in Ministerium und Finanzaufsicht eintrichtern. Das rechtfertigt er damit, deutsche Bürger seien mehrheitlich dagegen, den Sparerschutz zu vergemeinschaften. Kein Wunder, wird ihnen doch genau das ständig eingeredet.

An dieser Kampagne gegen Edis ist so vieles schräg und falsch, dass man kaum mehr zu einer sachorientierten Debatte zurückfinden wird. Von Sparkassen-Regionalfürsten, die über Großdemos vor der Zentralbank fabulieren, bis zu Finanzpolitikern, die das Zerrbild verschwenderischer "Südländer" pflegen, sind die Reihen geschlossen. Genossenschaftsbanken, Sparkassen und Privatbanken verteidigen vor allem ihre jeweils eigenen Sicherungssysteme, die im Fall einer neuen Finanzkrise niemals ausreichten. Mag sein, dass deutsche Sparer auf den ersten Blick besser geschützt sind, auf den zweiten aber hat gerade Deutschland seine eigenen, großen Bankenprobleme.

Es gehört zur Natur der europäischen Einigung, dass nicht jeder immer gleichermaßen profitiert. Zum Bespiel hat kein Land so sehr von der Währungsunion profitiert wie Deutschland. Eine erneute schwere Rezession würde sie aber kaum überleben, dazu ist sie noch immer nicht stabil genug. Um das zu ändern, ist eine vollendete Bankenunion unerlässlich, mitsamt der gemeinsamen Einlagensicherung. Scholz blockiert vorsätzlich eine weitere Stabilisierung der Euro-Zone und setzt damit aufs Spiel, was er vorgibt zu schützen: das Vermögen der Bürger.

© SZ vom 14.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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