Kommentar:Ein Premium-Versprechen

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Ein Rechtsanspruch kann etwas bewegen, wie die Kinderbetreuung zeigt. Berlin ist beim Internetausbau auf dem richtigen Weg.

Von Henrike Roßbach

Versprochen ist versprochen und wird auch nicht gebrochen. Mit diesem Reim, den selbst Zweijährige sich merken können, handeln viele Eltern mit ihren Kindern all die kleinen Alltagsversprechen im Mikrokosmos Familie aus. Ein Versprechen, das sollen schon die Kleinsten lernen, ist etwas Besonderes. Etwas, das einen Handschlag verdient, das man nicht leichtfertig geben und ebenso wenig leichtfertig brechen soll.

Politiker geben auch gerne Versprechen. In Interviews, im Bierzelt, im Fernsehen, im Parlament, in Koalitionsverträgen. Später jedoch verwandelt sich manches Versprechen in ein Achselzucken, manchmal mit dem unausgesprochenen Subtext, Wahlkampf sei nun mal etwas anders als regieren. Auch Union und SPD haben den Bürgern so manches versprochen. Da sie sich nun schon zum dritten Mal seit 2005 anschicken, gemeinsam das Land zu regieren, darf man sich durchaus fragen, wieso da so viele Versprechen übrig geblieben sind.

Ein Rechtsanspruch kann etwas bewegen, das zeigt das Beispiel Kinderbetreuung

Seltsamerweise sind ausgerechnet jene Versprechen besonders oft nicht in Erfüllung gegangen, die etwas mit dem angeblichen Lieblingsthema der Politik zu tun haben, der Digitalisierung. Das neueste in diesem Zusammenhang steht im Koalitionsvertrag und lautet zusammengefasst: Von 2025 an sollen alle Bürger einen Rechtsanspruch auf Zugang zum schnellen Internet haben. Daran sind gleich mehrere Dinge bemerkenswert. Etwa, dass die Koalitionäre wörtlich von einem "rechtlich abgesicherten Anspruch" sprechen und damit eine Art Premium-Versprechen abgeben, denn ein Rechtsanspruch ist mehr als ein flockiges "Haben wir vor".

Die zweite Auffälligkeit ist, dass Union und SPD das Recht auf schnelles Internet auf einen Zeitpunkt datieren, der jenseits ihrer Regierungszeit liegt. Die aktuelle Legislaturperiode, die schon einige Monate läuft (wenn auch ohne Regierung), endet im Herbst 2021. Selbst die Regierung nach der nun kommenden hätte noch mal fast eine ganze Legislaturperiode Zeit, den Rechtsanspruch in Kraft zu setzen.

Dass ein Rechtsanspruch durchaus etwas bewegen kann, zeigt derjenige auf einen Betreuungsplatz für Kinder ab dem Alter von einem Jahr. Im Sommer 2013 trat er in Kraft, nachdem zuvor mit Elterngeld und Kita-Ausbau schon ein neuer familienpolitischer Weg eingeschlagen worden war. Makellos ist die Bilanz, die seitdem gezogen werden kann, zwar nicht. In vielen Regionen ist es für Eltern weiterhin mühsam, einen Betreuungsplatz zu finden. Und doch ist die Situation insgesamt eine völlig andere und viel bessere als vor zehn oder 15 Jahren.

Ob sich die Dinge beim Netzausbau ähnlich entwickeln werden, ist nicht ausgemacht. Zentral wird sein, ob die Regierung ihr selbstgesetztes Zwischenziel erreicht. Bis zur Mitte der Legislaturperiode wollen Union und SPD das Recht auf schnelles Internet schon mal "ausgestalten", auch wenn es dann erst knapp sechs Jahre später in Kraft tritt. Eine Kleinigkeit ist das nicht, denn rund um den Netzausbau ranken sich zahlreiche Fragen und Schwierigkeiten. Zum Beispiel: Wenn der Zugang zum Internet zur Daseinsvorsorge gehört, wofür sehr vieles spricht, sollten dann lieber die Kommunen das Glasfasernetz der Zukunft selbst bauen und vermarkten? Wenn es die privaten Telekommunikationsfirmen machen sollen: Welche regulatorischen Freiheiten räumt man ihnen dann ein, damit sie ihre Investitionen gewinnbringend nutzen können? Erste Ansätze, dass auch in der Regulierung neu gedacht werden soll, finden sie schon im Koalitionsvertrag.

Über solchen Fragen schwebt zudem die der Finanzierung. Zehn bis zwölf Milliarden Euro will die große Koalition sich den Breitbandausbau allein in dieser Legislaturperiode kosten lassen. Noch allerdings ist dieses Geld nicht da. Hereinkommen soll es vorrangig durch die Versteigerung frei gewordener Frequenzen für den neuen schnellen Mobilfunkstandard 5G. Die Branche aber grummelt schon, dass ihr die Milliarden, die sie bei der Versteigerung auf den Tisch legen soll, später als Investitionsmittel fehlen werden.

Wenn all das zufriedenstellend gelöst und aufs Gleis gesetzt ist zur schwarz-roten Regierungshalbzeit, stehen die Chancen nicht schlecht, dass der Rechtsanspruch auf schnelle Netze nicht das Schicksal früherer Digitalisierungsversprechen erleidet. Die nämlich wurden trotz aller Fortschritte nicht vollständig eingelöst. Sonst müsste im Koalitionsvertrag kaum von einer App die Rede sein, mit der Bürger Funklöcher melden sollen. Genau wie beim Kitaausbau ist Deutschland auch beim Netzausbau spät dran. Noch aber besteht Hoffnung, dass es nicht zu spät ist.

© SZ vom 09.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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