Kommentar:Ein Maßstab für Maßlosigkeit

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Die Regierung verlangt zu Recht, dass die Chefs der Deutschland AG ihre Gehälter offen legen.

Von Ulrich Schäfer

Es ist bemerkenswert, dass die Bundesjustizministerin just zur selben Zeit, als der Kanzler in München mit den Spitzen der deutschen Wirtschaft zusammenhockte, in Berlin ein Gesetzesvorhaben präsentierte, das vielen Managern, darunter manchen Schröder-Freunden, nicht passt.

Vorstandsmitglieder einer Aktiengesellschaft. (Foto: Foto: ddp)

Die Regierung will die Bosse zwingen, ihre Gehälter zu veröffentlichen. Dies diene dem Schutz der Aktionäre und der Börsenkultur, sagt die Justizministerin. Das stimmt und ist doch nur die halbe Wahrheit. Es geht auch darum, die Gemüter in der aufgewühlten Koalition zu beruhigen.

Eigentlich nämlich wollte Brigitte Zypries bis zum Sommer abwarten, ob ein Gesetz nötig ist oder ob sie darauf verzichten kann, falls bis dahin nicht nur - wie bisher - einige, sondern fast alle Unternehmen die Gehälter freiwillig veröffentlichen.

Suche nach dem Ventil

Doch die Abgeordneten von SPD und Grünen, verunsichert durch fünf Millionen Arbeitslose und Hartz IV, suchen nach einem Ventil, sie sehnen sich nach einem Gesetz, das endlich mal der eigenen Klientel behagt.

Dieses Gesetz tut es; es schafft aus ihrer Sicht einen Ausgleich, ein Stück Gerechtigkeit: Wer Langzeitarbeitslose verpflichtet, ihre Einkommens- und Vermögensverhältnisse detailliert offen zu legen, erwartet ein ähnliches Maß an Offenheit auch von Deutschlands Topmanagern.

Privilegien

Und es passt in der Tat auch nicht zusammen, dass die Spitzen der Wirtschaft immer wieder Verzicht predigen, dass die Lobbyisten in Berlin und mancher Konzernchef aus Frankfurt oder Stuttgart-Zuffenhausen mit Ratschlägen, wie man Deutschland saniert, schnell bei der Hand sind, sie aber eigene Privilegien mit Macht verteidigen.

Die Geheimniskrämerei ums Gehalt, für Vorstände von Aktiengesellschaften bislang erlaubt, ist ein solches Privileg. Selbst in den Stammländern des Kapitalismus, in den USA und Großbritannien, ist es seit Jahren üblich, dass Vorstände ihre Gehälter veröffentlichen müssen; das gleiche gilt für Italien, Frankreich, Schweden, Irland oder die Niederlande.

Wenn nun also auch die deutschen Unternehmensführer sich erklären müssen, entspricht das dem internationalen Standard. Wer so viel verdienen will wie ein amerikanischer Kollege (was angesichts mancher Gehaltsexzesse jenseits des Atlantiks ein maßloses Ziel sein kann), muss auch bereit sein, die gleichen Spielregeln zu ertragen und sich notfalls dem geballten Ärger der Öffentlichkeit und seiner Aktionäre aussetzen.

Angestellte einer AG

Wohlgemerkt: Dies ist kein Plädoyer dafür, nun ohne jeden Unterschied jedes Topgehalt aufzudecken. Aber die Herren der Deutschland AG sollten begreifen, dass sie nicht mit ihrem eigenen Geld wirtschaften, sondern angestellte Manager einer Aktiengesellschaft sind.

Sie arbeiten im Dienste ihrer Anteilseigner, und sie tragen, wenn sie Zehntausende oder gar Hunderttausende von Mitarbeitern beschäftigen, ein großes Stück sozialer Verantwortung. Dem sollten sie in jeder Hinsicht gerecht werden.

© SZ vom 12.03.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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