Kommentar:Die überraschten Kontrolleure

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Die Führungskrise bei DaimlerChrysler offenbart eine für Deutschland typische Schwäche der Aufsichtsräte.

Von Karl-Heinz Büschemann

DaimlerChrysler bietet ein Bild der Konfusion.

Der Autokonzern ist vom Rücktritt des Mercedes-Chefs Eckhard Cordes - nur Stunden nach dem angekündigten Ausscheiden von Konzernboss Jürgen Schrempp - so überrascht, dass er nicht mehr handlungsfähig scheint.

Der Aufsichtsrat tut nichts, um Cordes zu halten, er ernennt auch keinen Nachfolger.

Er schweigt seit fünf Tagen und verstärkt den Eindruck einer Führungskrise sowie von krassem Mangel an Kontrolle in Deutschlands größtem Unternehmen.

Funkstille bei den Aufsichtsräten

Erst kürzlich stürzte VW in eine Korruptionskrise, die den Personalvorstand Peter Hartz den Job kostete. Wochenlang war vom Aufsichtsratsvorsitzenden Ferdinand Piëch nichts zu hören und noch immer hat das Kontrollgremium keinen neuen Personalchef gefunden.

Der Infineon-Konzern muss in einer Korruptionsaffäre ein Vorstandsmitglied entlassen. Der Aufsichtsrat muss einräumen, dass er frühe Hinweise auf Unregelmäßigkeiten nicht ernst genommen hat.

Dieser Sommer deckte kaum glaubliche Mängel in der Kontrolle führender deutscher Konzerne auf.

Riskante Strategie der Welt AG

Selbst das internationale Unternehmen DaimlerChrysler, das durch die Fusion mit der Chrysler Corporation im Jahr 1998 auch einen amerikanischen Teil hat, bewahrte die Fehler des deutschen Kontrollsystems und nutzte die Chance nicht, mit modernen Führungsprinzipien für die verkrustete Deutschland AG ein Vorbild zu sein.

Der seit 1995 amtierende Konzernchef Schrempp hat systematisch dafür gesorgt, dass er bei seiner riskanten und für die Aktionäre teuren Strategie einer Welt AG vom Aufsichtsrat keine unangenehmen Fragen zu erwarten hatte.

Arbeitnehmer wie Arbeitgeber im Kontrollgremium waren Schrempp stets gut gesonnen. Von professioneller Aufsicht konnte nicht die Rede sein.

Im Aufsichtsrat von DaimlerChrysler sitzt auf der Kapitalseite nicht ein Mitglied mit Erfahrung in der Autoindustrie. Dafür sitzt in dem Gremium der Chef eines Baseball-Clubs aus San Francisco oder der Herausgeber eines US-Magazins für farbige Unternehmer.

Fachliche Qualifikation anscheinend egal

Die Führung des Kontrollgremiums liegt bei Hilmar Kopper, dem ehemaligen Chef der Deutschen Bank. Der heute 70jährige bekam den Posten nur, weil das Frankfurter Geldhaus bei Daimler jahrzehntelang der größte Aktionär war. Nach der fachlichen Qualifikation fragt in diesem Kontrollorgan offenbar niemand.

Damit unterscheidet sich der Daimler-Aufsichtsrat nur wenig von den Kontrollgremien anderer deutscher Konzerne. Zudem ist es in vielen deutschen Unternehmen die Regel, dass der ausscheidende Chef nach seiner aktiven Zeit den Posten des obersten Kontrolleurs übernimmt und so dafür sorgt, dass die eigenen Fehler vom Nachfolger nicht korrigiert werden.

Oft fehlt es am Engagement. Wie wenig ernst Aufsichtsratschefs ihre Aufgabe nehmen, belegt der VW-Aufsichrsratschef Ferdinand Piëch. Er werde jetzt nicht mehr nur "alle drei Monate mal" in Wolfsburg sein, sondern einmal pro Woche. Das müsste für einen seriösen Aufsichtstratsvorsitzenden eigentlich selbstverständlich sein.

Belastung für den Standort Deutschland

In diesem Land hat sich vieles geändert seit die Globalisierung die Wirtschaft durcheinander wirbelt und der Leistungsdruck auf die Arbeitnehmer wächst.

Doch in den Aufsichtsräten herrscht noch der alte Corpsgeist von alten Wegbegleitern, die sich gegenseitig Posten zuschustern und sich dafür nicht weh tun.

Die Wirtschaft muss härtere Kriterien dafür aufstellen, welche Pflichten die Aufsichtsräte haben und welche Qualifikation sie für ihre Arbeit brauchen. Sie muss auch die Zahl der Mandate von Aufsichtsräten kleiner halten als heute üblich.

Die miserable Qualität der deutschen Aufsichtsräte ist einer führenden Industrienation nicht würdig und eine Belastung für den Standort Deutschland. Wer von den Arbeitnehmern mehr Leistung verlangt, muss auch die Manager in die Pflicht nehmen.

© SZ vom 03.08.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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