Kommentar:Die Katze kann bleiben

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Der Rückzug von Opel-Chef Karl-Thomas Neumann schwächt das Unternehmen - ausgerechnet in der schwierigen Zeit der Anpassung an den neuen französischen Eigentümer Peugeot. Doch mittelfristig könnte das auch eine Chance sein.

Von Max Hägler

Der Chef agiert bei seinem Abgang, wie er es in seinen vier Jahren bei Opel gemacht hat: Karl- Thomas Neumann kommuniziert seinen Rückzug selbst. Er, der Opel-Mann. Oder vielmehr: Ich, der Opel-Mann. "Bin eben als Vorsitzender der Geschäftsführung zurückgetreten", schrieb er da am Montagnachmittag auf Twitter, und ausweislich des Kürzels "KTN" hat er das selbst in den Computer getippt.

Diese Form der Kommunikation sagt viel aus, über Neumann, aber auch über Opel. Der Autohersteller aus Rüsselsheim ist seit vielen Jahren angeschlagen, hatte unpassende Modelle in den Verkaufsräumen, die Kosten nicht im Griff und vor allem ein schlechtes Image. Seit der Jahrtausendwende hat Opel kein Geld mehr verdient, stand schon einmal vor dem Verkauf und auch vor der Abwicklung.

Eine herausfordernde Situation, in der Neumann übernahm. Und der bisherige Eigentümer, der US-amerikanische General-Motors-Konzern, ließ ihm einigermaßen Spielraum - den er nutzte, für die Marke und für sich. Vor allem am Image drehte der Ex-Chef. Ließ sich vor dem eigenen Opel-Oldtimer ablichten und beschwor mit seinem Team den Blitz-Style: Manta als Kult, quasi, und er als erster Fahrer. Die deutsche Spießigkeit wurde persifliert, auch mithilfe einer schlecht gelaunten Katze, die sie als Werbefigur anheuerten.

Der Autohersteller wird ohne Neumann weniger offensiv und selbstbewusst sein

Das war gewagt, das war gut, damit reanimierte Neumann erfolgreich das darbende Unternehmen und gab der Mannschaft in Rüsselsheim wieder Selbstbewusstsein. Nun wird das Unternehmen an den französischen Peugeot-Konzern verkauft, der wohl weniger Spielraum lässt, allein schon, weil Paris näher ist als Detroit. Opel soll irgendwie eigenständig bleiben, aber eben doch eine Submarke werden. In dieser schwierigen Umbruchsituation geht der stilbildende Visionär - und wird durch einen ersetzt, der vor allem Verwalter ist und sich erst einarbeiten muss. Ausgerechnet jetzt, da entscheidende Strukturen festgezurrt werden, ist Opels Führungsteam geschwächt. Die Konsequenz dürfte sein: Opel ohne Neumann wird französischer sein als mit Neumann. Und weniger offensiv und selbstbewusst.

Doch kann man die Frage stellen: Ist das wirklich nur tragisch?

Neumann arbeitete im Einvernehmen mit den Mitarbeitern an neuen, besseren Autos, das ist natürlich gut. Doch über all der Selbstdarstellung haben sie in Rüsselsheim manchmal ein wenig aus dem Blick verloren, dass Opel nicht Mercedes ist, sondern vor allem eines: defizitär seit beinahe zwei Jahrzehnten. Das erste Quartal 2017 brachte den nächsten Rückschlag: minus 180 Millionen Euro. Neumann habe gezeigt, dass die Trendwende möglich ist, sagen manche. Das stimmt beim Absatz, aber nicht beim Gewinn. Die Krise in Großbritannien, dem so wichtigen Opel-Markt, kann da nicht als alleinige Erklärung herhalten: Andere Autohersteller kommen mit dem Brexit und dem schwachen Pfund besser zurecht. Deshalb gilt: Opel verkauft inzwischen 1,2 Millionen Autos im Jahr - und kämpft dennoch weiter ums Überleben.

Man hätte gerne gesehen, ob Neumanns Plan aufgeht, jetzt, da bald Wagen auf den Markt kommen, die er mitersonnen hat. Und doch kann es auch eine Chance sein, dass nun die Franzosen übernehmen und mit Michael Lohscheller ein ihnen gewogener Manager die Geschicke in Rüsselsheim lenkt. Denn Carlos Tavares hat den einst ebenfalls darbenden Peugeot-Citroën-Konzern wieder deutlich auf die Gewinnspur gebracht. Nicht alles läuft rund dort, aber schnell und pragmatisch arbeiten sie Probleme ab. Nötigenfalls samt schmerzhaften Vereinbarungen mit der Belegschaft. Das könnten die deutschen Mitarbeiter bald zu spüren bekommen; die Beschäftigungsgarantien laufen nur noch eineinhalb Jahre. Aber es ist gut vorstellbar, dass unter diesem neuen, eng führenden Eigentümer die von Neumann eingeleitete Wiederbelebung tatsächlich vollendet wird. Die Katze können sie ja behalten, als Markenbotschafter, wenn es hilft. Denn Spaß, Selbstbewusstsein und Erfolg schließen sich ja nicht aus.

© SZ vom 14.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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