Kommentar:Die Bundesländer sind ebenso schuld

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Zum zweiten Mal in Folge verletzt Deutschland den europäischen Strabilitäts- und Wachstumspakt - prompt hacken alle auf Finanzminister Hans Eichel herum. Aber er trägt die Verantwortung nicht alleine.

Von Ulrich Schäfer

(SZ vom 30.08.03) - Wir haben es ja immer geahnt: Hans Eichel hat seine Zahlen nicht im Griff, den Haushalt, die Schulden, einfach nichts. Auch sein Vorschlag, wie das Vorziehen der Steuerreform zu finanzieren sei, ist nur eine Luftnummer. Na klar.

Die Union ist ganz auf Eichel fixiert

So zumindest sieht es die Union. "Ich bin ganz auf Eichel fokussiert", räumte Angela Merkel unlängst ein. Ähnliches gilt für Edmund Stoiber.

Von daher verwundert es wenig, dass die Opposition den angeschlagenen Kassenverwalter nun auch für den neuerlichen Bruch des europäischen Stabilitätspakts verantwortlich macht und seinen Rücktritt fordert.

Der Ansatz der Union ist simpel, allzu simpel. Ihre ganze Strategie zielt darauf ab, den einst stärksten Mann des Kanzlers, den ehemaligen "Sparminator", weiter in Misskredit und so die Regierung ins Wanken zu bringen: Es ist Eichels Schuld, behaupten die Christdemokraten, wenn die Pendler bluten müssen.

Er ist verantwortlich dafür, dass die Wirtschaft stagniert und das einst stolze Land nicht aus der Krise herausfindet. Und natürlich hat er dafür gesorgt, dass die neuen Staatsschulden dieses Jahr auf Rekordhöhe steigen, auf mindestens 3,8 Prozent der gesamten deutschen Wirtschaftsleistung.

Die Wahrheit ist komplizierter

Die Wahrheit ist indes komplizierter, sie stand weit hinten in den Wirtschaftsteilen der Zeitungen, und vielleicht haben die christdemokratischen Strategen in München und Berlin sie deshalb nicht wahrgenommen.

Die Experten der Ratingagentur Standard&Poors, die nicht nur die Schulden von Unternehmen, sondern auch die von Staaten bewerten, haben das Land Hessen herabgestuft. Hessens Bestnote beim Schulden-Rating ist weg, denn Roland Koch, der CDU-Ministerpräsident und potenzielle Kanzlerkandidat, hat bei den Krediten überzogen. Eichel dagegen hat die Top-Bewertung noch. Vorerst jedenfalls.

Auch anderswo strapazieren die Länder ihre Kreditlinie. Schon jetzt haben sie sich annähernd so viel Geld gepumpt, wie eigentlich fürs ganze Jahr eingeplant war, weit über 20 Milliarden Euro. Sie tragen damit neben den hochdefizitären Renten- und Krankenkassen entscheidend zur neuerlichen Verletzung des Maastricht-Kriteriums bei.

Die Länder haben zu lange auf Berlin gezeigt

Natürlich leiden auch die Länder unter der miesen Konjunktur, natürlich sind auch ihre Steuereinnahmen in den vergangenen beiden Jahren eingebrochen. Doch allein dadurch lässt sich das Minus vielerorts nicht erklären.

Lang, zu lang haben alle nur nach Berlin gezeigt, wenn es darum ging, den Europäischen Stabilitätspakt einzuhalten, und sich hinter Eichel versteckt, der - es sei nicht verschwiegen - bei den Schulden diesmal ebenfalls wieder überzieht.

Der Bundesfinanzminister weiß allerdings, dass er, anders als 2002, nicht allein die Hauptschuld für das Desaster trägt, und er wird versuchen, dies auszunutzen. Es ist kein Zufall, dass die rot-grüne Regierung die Schuldenzahlen der Länder vorzeitig publik gemacht hat.

Im Herbst wird Druck gemacht

Im Herbst werden Eichel und Schröder den Druck nochmals erhöhen, wenn die Reformgesetze, das Sparpaket, der Subventionsabbau zur Entscheidung im Bundesrat anstehen. Denn was Berlin auf den Weg gebracht hat, bringt auch den Ländern im nächsten Jahr viel Geld; die meisten Finanzminister, egal ob aus der Union oder aus der SPD, können darauf eigentlich nicht verzichten.

Gewiss, es lässt sich trefflich darüber streiten, ob jeder Ansatz in Eichels Etat plausibel ist, ob tatsächlich fünf Milliarden fließen, weil hunderttausende von Steuerzahlern ihr Geld nach Deutschland zurückholen - oder ob die Hartz-Reformen derart viel an Einsparungen bringen, wie die Regierung erhofft.

Wer aber, wie der bayerische Ministerpräsident, alles in Bausch und Bogen ablehnt und mit einem Nein im Bundesrat droht, wer dem Bundesfinanzminister Luftbuchungen vorwirft und zugleich harte Einschnitte für Pendler, Häuslebauer oder Rentner verweigert, der hat den Sinn des Stabilitätspaktes nicht verstanden. Oder aber er hat nur eines im Sinn: den Wahlkampf.

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