Kommentar:Deutsche Symbole

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VW steht nicht allein unter den gefährdeten Symbolen der deutschen Wirtschaft. Karstadt ist nur noch durch tiefe Einschnitte zu retten, Opel ringt ums Überleben. Schuld ist oft Missmanagement in den Unternehmen.

Von Nikolaus Piper

Bei Volkswagen werden die Deutschen hellhörig. Nichts symbolisierte den wachsenden Wohlstand der Bundesbürger nach 1949 so wie der gute, alte VW Käfer; Krisen in Wolfsburg waren immer auch deutsche Krisen.

Die Marke VW hat Probleme. (Foto: Foto: ddp)

Seit Wochen nun macht der Konzern Negativschlagzeilen: Probleme mit der Marke, mit den Preisen, mit den Personalkosten.

Und jetzt klagt auch noch die EU-Kommission gegen das VW-Gesetz, das faktisch den Einfluss Niedersachsens - und auch der IG Metall - auf die Geschäftspolitik in Wolfsburg festschreibt.

Sollte die Klage Erfolg haben, woran in Brüssel nur wenige zweifeln, dann ist künftig die feindliche Übernahme von VW durch einen Konkurrenten möglich.

Der Bundeskanzler als Niedersachse hat den Kampf für das Gesetz zu seiner Sache gemacht, was vor dem Europäischen Gerichtshof aber nicht viel helfen dürfte.

Volkswagen steht nicht allein unter den gefährdeten Symbolen der deutschen Wirtschaft: Der Warenhauskonzern Karstadt-Quelle ist, wenn überhaupt, nur noch durch brutale Sanierungsschritte zu retten; Gewerkschaften und Management suchen derzeit nach sozialverträglichen Lösungen.

Opel ringt ums Überleben

Opel, die traditionsreiche Automarke, hat innerhalb des Mutterkonzerns General Motors den Rückhalt verloren und ringt ums Überleben. Der Chemie- und Pharmakonzern Hoechst ist mehrheitlich Teil eines französischen Unternehmens geworden, der Name selbst verschwunden.

Der einstmals führende Bayer-Konzern musste seine Chemiesparte abtrennen, der Rest ist nur noch ein mittleres Pharmaunternehmen. Die Reihe lässt sich fortsetzen: Mannesmann - aufgespalten und verschwunden, Grundig - nicht mehr der Rede wert, die Landesbanken - unter extremem Anpassungsdruck.

Und, auch dies von großem Symbolgehalt: Die Deutsche Bank - in einer Identitätskrise, aus der sie wahrscheinlich nicht als selbstständiges Unternehmen herauskommt.

Globalisierung als Sündenbock

Wenn Unternehmen Probleme haben, findet sich heutzutage immer schnell ein Schuldiger: die Globalisierung. Aber dieser Begriff ist, so wie er gebraucht wird, inhaltsleer. Die Frage ist ja, wieso einige Firmen im globalen Wettbewerb bestehen, andere nicht. Oft geht es dabei ganz einfach um Missmanagement.

Das beste Beispiel dafür ist Karstadt-Quelle. Seit gut zehn Jahren gab es ernsthafte Warnungen, dass der Konzern auf das veränderte Kaufverhalten der Konsumenten keine Antworten hatte und in ernste Gefahr geraten würde.

Das Management hat sich während der ganzen Jahre als bemerkenswert beratungsresistent erwiesen. Und es wurde in dieser Haltung, nach allem was man weiß, von den Arbeitnehmer-Vertretern im Aufsichtsrat auch noch bestärkt.

Arbeitnehmer sind die Leidtragenden

Jetzt fällt die Anpassung viel härter aus als ursprünglich notwendig gewesen wäre; Leidtragende sind die Arbeitnehmer. Managementfehler sind etwas Normales in der Wirtschaft: Schlecht geführte Firmen müssen sich vom Markt zurückziehen und werden durch neue, bessere ersetzt.

Firmenfusionen, auch über Grenzen hinweg, können sehr sinnvoll sein. Was in Deutschland beunruhigt, sind zwei Dinge: Dass, erstens, so viele Firmen in so kurzer Zeit in die Krise geraten. Und dass, zweitens, so wenig neue Großunternehmen entstehen. Der Verdacht liegt nahe, dass es hier gemeinsame Ursachen gibt.

So ist es bis vor kurzem in vielen Unternehmen noch als quasi selbstverständlich hingenommen worden, dass die Produktionskosten eben höher liegen als in anderen Industrieländern.

Viele Firmen werden unzureichend kontrolliert. Erstaunlich ist ja nicht, dass ein Vorstand stur in die falsche Richtung geht, sondern dass der Aufsichtsrat dies zulässt.

Amerikanische Gehälter

Und dann scheinen sich in Deutschlands Chefetagen amerikanische Gehälter schneller durchgesetzt zu haben als amerikanischer Unternehmergeist und amerikanische Risikobereitschaft.

Die meisten der amerikanischen Firmen, die heute die Schlagzeilen in der Wirtschaftspresse beherrschen, sind sehr jung: Microsoft, Intel, Citigroup. In der Bundesrepublik gibt es eigentlich nur eine vergleichbare Erfolgsgeschichte: die des 1972 gegründeten Software-Konzerns SAP.

Alle anderen großen deutschen Namen sind alt, viele von ihnen müssen sich auf Märkten mit ausgereiften Produkten behaupten.

Die Häufung von Unternehmenskrisen unterstreicht, wie notwendig die Reformen sind, die die Bundesregierung jetzt endlich begonnen hat.

Mischung aus Überheblichkeit und Verzagtheit

Es geht aber nicht nur um Politik, es geht auch um einen Mentalitätswandel: weg von jener eigentümlichen Mischung aus Überheblichkeit und Verzagtheit, aus Realitätsferne und Risikoscheu, die vielen Ausländern in Deutschland auffällt.

Aufsichtsräte müssen zum Konflikt mit ihrem Vorstand bereit sein, unternehmerisches Denken und Handeln muss einen ganz anderen Stellenwert bekommen.

Und vor allem muss die Bereitschaft zunehmen, sich vorbehaltlos dem globalen Wettbewerb zu stellen. So gesehen ist die Klage der EU gegen das VW-Gesetz eine gute Nachricht.

Sie bietet die Chance, von einem veralteten Instrument der Machtsicherung Abschied zu nehmen und dafür zu sorgen, dass Volkswagen künftig nicht mehr deutsche Besitzstände, sondern deutsche Erfolge symbolisiert.

© SZ vom 14.10.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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