Kommentar:Der Staat sollte sich endlich aus dem Autokonzern zurückziehen

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VW wird von einem Korruptionsskandal erschüttert. Klaus Volkert, der Vorsitzende des Gesamtbetriebsrates und wahrscheinlich mächtigste Mann bei Volkswagen, ist zurückgetreten.

Von Karl-Heinz Büschemann

Schon musste man dementieren, dass auch der Personalvorstand Peter Hartz vor dem Rücktritt stehe. Einen Skandal über ungetreue Mitarbeiter, die angeblich Schmiergelder genommen haben oder Strohmann-Geschäfte mit dem eigenen Unternehmen gemacht haben sollen, kann VW gerade jetzt gar nicht gebrauchen.

Europas größter Autokonzern mit seinen weltweit 340000 Mitarbeitern hat Probleme genug. Die Nachfrage nach Golf, Passat oder Polo ist zu schwach, um alle Fabriken auszulasten, und die Produktion ist zu teuer. Die Hauptmarke VW macht Verluste, die Gewinne von Audi oder Skoda reichen nicht.

Der Wolfsburger Konzern steckt tief in der Krise. Er hat mindestens 10000 Beschäftigte zu viel, und etliche davon arbeiten in den deutschen Werken. Der Grund dafür ist ein Webfehler: Volkswagen ist auch ein politisches Unternehmen.

Großaktionär Niedersachsen

Das Land Niedersachsen ist mit 18 Prozent beteiligt, und gemeinsam mit den Gewerkschaftern haben die Politiker im Aufsichtsrat eine Mehrheit, die harte und unternehmerische Entscheidungen äußerst schwer macht.

Der Konzern wird nicht genug nach Rentabilitätskriterien geführt, sondern danach, wie sich die meisten Arbeitsplätze sichern lassen. Eine enge Zusammenarbeit zwischen der VW-Personalabteilung, die seit fast zwölf Jahren unter der Führung des Kanzler-Beraters Hartz steht, und dem Betriebsrat sorgt dafür, dass es bei VW wahrscheinlich mehr Arbeitszeitmodelle gibt als Automodelle. Die Kumpanei zwischen Management und Betriebsrat bereitet zudem den Boden für Deals und Kungeleien.

Es gibt auch in anderen Unternehmen Korruption. Mercedes-Manager haben sich von firmeneigenen Arbeitern beim Bau ihrer Ferienhäuser auf Mallorca helfen lassen. Auch in anderen Unternehmen fließen Schmiergelder. Aber bei VW ist die Selbstbedienung besonders einfach, weil der Filz aus Politik, Gewerkschaften und Management stark ausgeprägt ist.

Im Schussfeld der Politiker

Nicht umsonst gibt es Gerüchte, dass Vertreter der hannoverschen Landesregierung die Affäre nutzen, um große Politik zu machen. Da der wegen angeblicher Untreue entlassene Skoda-Personalchef Herberth Schuster ein Freund des Kanzler-Vertrauten Hartz ist, ließe sich die Schmuddel-Affäre trefflich nutzen, um den Namensgeber der Arbeitsmarktreform zu bekämpfen und sogar Gerhard Schröder zu schaden.

Es wird Zeit, dass sich das Land aus dem Aktionärskreis zurückzieht und Volkswagen ein normales Unternehmen wird. Das würde den Filz verringern, das Management könnte seine Entscheidungen so treffen wie es die Wettbewerber tun - nach wirtschaftlichen Kriterien. Mit hoher Wahrscheinlichkeit gäbe es dann weniger dunkle Machenschaften.

© SZ vom 02.07.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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