Kommentar:Der russische Pakt

Egal, wie das Urteil über Michail Chodorkowskij ausfällt: An dem Entscheid, dass Russlands Justiz in diesem Fall Vertrauen verloren hat, lässt sich schwerlich etwas ändern.

Von Frank Nienhuysen

Wollte man ein gutes Wort für Irina Kolesnikowa einlegen, müsste man sagen: Diese Richterin ist überfordert. Zuerst hat sie es angeblich nicht rechtzeitig geschafft, bis zum 27.April - dem ursprünglichen Entscheidungstag im Fall Chodorkowskij - die schriftliche Urteilsbegründung abzuschließen.

Nun musste sie bereits den zweiten Tag in Folge das Vorlesen des monumentalen Epos unterbrechen, als ginge ihr die Kraft aus, am Dienstag bereits nach etwa drei Stunden.

Und vielleicht war es ja akuter Zeitnot geschuldet, dass die Richterin bisher den Duktus der russischen Staatsanwaltschaft weitgehend übernommen hat.

Teil eines festen Plans

All das aber verschärft eher den Eindruck, dass die Richterin Teil eines festen Plans ist, dass die Gewalten in Russland nicht wirklich geteilt sind, sondern mitunter paktieren.

Wie das Strafmaß gegen den früheren Yukos-Chef Michail Chodorkowskij auch ausfällt, zehn Jahre Arbeitslager oder zwei Jahre auf Bewährung - bei der Ausleuchtung des Urteils wird stets ein diffuses Licht auf den russischen Staat fallen, auf den Kreml und auf seinen Hausherrn Wladimir Putin.

Der russische Präsident mag beteuern, sein Land sei ein funktionierender Rechtsstaat und die Justiz arbeite unabhängig von Interventionen der Behörden.

US-Regierung besorgt

Doch seine Überzeugungskraft im Ausland ist begrenzt. Die amerikanische Regierung hat sich im Fall Chodorkowskij äußerst "besorgt" gezeigt, Prozessbeobachter der EU äußerten massive Kritik, und Gleiches wäre vielleicht auch von Brüssel und Berlin zu hören, wenn sie nicht aus politischer Rücksichtnahme stumm blieben.

An einem Urteil aber lässt sich schwerlich etwas ändern: Vertrauen hat Russlands Justiz in diesem Fall nicht gewonnen.

© SZ vom 18.05.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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