Kommentar:Der richtige Lohn

Lesezeit: 1 min

Die Niederlande gelten vielen Reformern in Deutschland als Vorbild: Dort haben Politiker, Gewerkschafter und Arbeitgeber den Arbeitsmarkt im Konsens reformiert, der hohe Anteil der Teilzeitarbeit ist legendär und die Arbeitslosigkeit ist längst deutlich niedriger als in Deutschland.

Von Nikolaus Piper

(SZ-Artikel vom 16.10.03) — Jetzt sorgt das Nachbarland wieder für Gesprächsstoff: Zur Sicherung von Beschäftigung in der Krise haben Regierung und Tarifparteien einen Lohnstopp verkündet. Manch ein von Umsatz- und Ertragseinbrüchen geplagter Unternehmer mag nun auch diesseits der Grenze in diesem Rezept sein Heil sehen. Doch vor voreiligen Schlüssen sei gewarnt.

(Foto: N/A)

Arbeitskosten in Westdeutschland zu hoch

Richtig ist, dass Westdeutschland im internationalen Vergleich immer noch die höchsten Arbeitskosten pro Stunde hat und dass dies wesentlich zur hohen Arbeitslosigkeit beigetragen hat.

Richtig ist auch, dass sich die Gewerkschaften in die Tasche lügen, wenn sie immer nur darauf hinweisen, dass ja die Lohnstückkosten, also die Arbeitskosten unter Berücksichtigung der Produktivität, in Deutschland nur mäßig oder gar nicht steigen. In die Lohnstückkosten fließen abgebaute oder ausgewanderte Arbeitsplätze gar nicht ein, die Statistik sieht also schöner aus, als sie ist.

Mangelnde Dynamik in den Niederlanden

Andererseits sind Lohnstopps und die Förderung der Teilzeitarbeit sehr defensive Maßnahmen; sie tragen nicht dazu bei, dass ein Land aus seinen Problemen herauswächst.

Dies zeigt gerade das Beispiel der Niederlande: Dort beklagen Kritiker die mangelnde Dynamik von Wirtschaft und Gesellschaft. Menschen, die wenig Geld verdienen, können auch wenig kaufen, und wenn die Konsumenten ausbleiben, dann investieren die Unternehmer auch nicht.

Das Ziel muss es sein, die Arbeitskosten möglichst schonend auf ein verträgliches Maß herunterzuführen. Dazu gehört an erster Stelle der Abbau der Lohnnebenkosten, also niedrigere Renten- und Krankenkassenbeiträge.

Lohnpolitik muss maßvoll sein

Zweitens ist eine maßvolle Lohnpolitik notwendig, was bedeutet, dass die Tarifparteien nur einen Teil des errechneten Spielraums bei den Lohnverhandlungen verteilen, während der Rest für die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit bleiben muss.

Und schließlich Flexibilität für Betriebe, Branchen und einzelne Arbeitnehmer. Eine der einfachsten Methoden zur Senkung von Arbeitskosten wäre die schrittweise Verlängerung der Arbeitszeit: Die Betriebe würden entlastet, und die Arbeitnehmer hätten trotzdem nicht weniger im Geldbeutel.

Aber dagegen steht vermutlich noch das in zwanzig Jahren gepflegte Vorurteil, man könne mit Arbeitszeitverkürzung Arbeitsplätze schaffen.

© SZ - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: