Kommentar:Das Schweigen der Genossen

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Eichels Milliardenlöcher und die Steuerreform: Die SPD-Fraktion darf nicht so, wie sie will. Der Kanzler und der Finanzminister sind strikt gegen ihre Wünsche.

Von Ulrich Schäfer

Ein Stunde lang hat Hans Eichel in seiner Etatrede über alles geredet, nur nicht über den Etat.

Zum Auftakt der Haushaltswoche im Bundestag hat der Finanzminister fast alle wichtigen und weniger wichtigen Problemfelder der Politik gestreift: die strittige Arbeitsmarktreform und die Pisa-Studie, die drohende Spaltung zwischen West- und Ostdeutschland und die Gefahr des globalen Terrors, die hohen Energiepreise und den nervigen Streit um den Zahnersatz.

Eichel sprach über Steueroasen, Schwarzarbeiter und den Betrug bei der Umsatzsteuer. Erst ganz zum Schluss kam er auf jene Zahlenwerk zu sprechen, für das er verantwortlich ist - aber nur kurz.

Nachvollziehbar

Dass der Finanzminister lieber über das Wachstum und die Globalisierung redet, als über die Rekordschulden, kann man ja nachvollziehen. Und dass er nicht in die Feinheiten eines Etats eintauchen will, der - wenn es nicht ein Wirtschaftswunder gibt - nicht zu halten ist, ist ebenfalls verständlich.

Eichels Auftritt zeigt aber auch, wie sehr sich der Kurs der rot-grünen Regierung verschoben hat. Anfangs wollten der Kanzler und seinen Minister sparen, sparen, sparen.

Später, als die Konjunktur einbrach, wollten sie wenigstens die Ausgaben im Zaum halten; doch die Not am Arbeitsmarkt verhinderte auch dies.

Nun, nach inzwischen drei Jahren der Stagnation, lebt diese Regierung nur noch vom Prinzip Hoffnung: Wenn der von den Instituten prophezeite Aufschwung kommt, werden sich auch die Umfragewerte verbessern; wenn die Wirtschaft wächst und neue Jobs entstehen, werden im Volk zudem die Schmerzen der Hartz-Reform nachlassen; auch manches Finanzproblem würde sich lösen. Kommt der Aufschwung jedoch nicht, droht der politische Untergang.

Keine andere Wahl

Die Union, die Eichels Etat als "Inbegriff des Scheiterns" bezeichnet, hätte in der jetzigen Situation keine andere Wahl.

Wenn Union und FDP von heute auf morgen die Macht übernehmen würden, müssten Merkel, Westerwelle und Stoiber die Milliardenlöcher ebenfalls mit dem umfassenden Verkauf von Bundesvermögen schließen.

Eine generelle Kürzung aller Ausgaben um fünf Prozent, wie sie Edmund Stoiber jüngst vorgeschlagen hat, ließe sich auf die Schnelle nicht umsetzen - es sei denn, Schwarz-Gelb wäre bereit, die Renten massiv zu kürzen, die Bauern zu schröpfen und den Wehretat trotz all der Auslandseinsätze der Bundeswehr weiter zu beschneiden. Ein eher unwahrscheinlicher Fall.

Natürlich könnte man angesichts der Kassenlage auch auf die Idee kommen, die allerletzte Stufe der Steuerreform teilweise zu stoppen.

Viel Applaus und eisiges Schweigen

Die Abgeordneten der SPD-Fraktion jedenfalls quittierten Eichels Versprechen, der Eingangssteuersatz werde 2005 wie geplant sinken, mit viel Applaus - und seinen Hinweis, das gleiche gelte für den Spitzensteuersatz, mit eisigem Schweigen.

Die Genossen, so scheint es, würden den Steuervorteil für Topverdiener gern noch verhindern. Aber sie dürfen es nicht, der Kanzler und der Finanzminister sind strikt dagegen.

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