Kommentar:Das schnelle Scheitern der Optimisten

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Die Stimmung zum Start des neuen Siemens-Konzernbereichs Communications Ende 2004 war prächtig. Man erhoffte sich lukrative Geschäfte im boomenden Handysektor - doch inzwischen sieht es anders aus.

Von Markus Balser

In der Münchner Olympiahalle schwor das Management 2004 seine Truppe zum "Com.day" auf die Verschmelzung der Bereiche Mobilfunk und Festnetz ein.

Das Ziel: ein neues Herzstück des Siemens-Konzerns mit 60.000 Mitarbeitern und 17 Milliarden Euro Umsatz zu schaffen - mit "dem besten aus zwei Welten". Ein halbes Jahr später ist von der Sektlaune nur der Kater geblieben.

Die Ausgliederung der Handy-Sparte und die Verbindung mit dem asiatischen Partner BenQ ist das Eingeständnis eines schnellen Scheiterns. Kein anderes Produkt hat bei Siemens so rasch an Glanz verloren wie die Handys. Täglich verbuchte der Konzern im Geschäftsfeld mehr als eine Million Euro Verlust, der Absatz brach seit Anfang des Jahres um mehr als 20 Prozent ein. Ein Desaster, das die Schlagkraft des gesamten Konzerns zu lähmen drohte.

Probleme mit Endkunden

Die tiefroten Zahlen zeigen: Das Geschäft mit Endkunden ist die Schwachstelle des Konzerns. Geht es um Medizintechnik, Kraftwerke oder Wasseraufbereitung, ist das Unternehmen weltspitze. Für die volatile Konsumentensparte aber agiert der Konzern nicht schnell genug.

Bei der Ursachenforschung rückt das Management in den Mittelpunkt, denn viele Probleme sind hausgemacht. Verpasste Trends, lange Produktzyklen - schwerwiegende Fehler waren für die prekäre Situation mitverantwortlich. Bei Klapphandys, Farbdisplays und Kameras hinkte Siemens hinterher. Eine peinliche Softwarepanne mit Rückrufaktion belastete auch noch den guten Draht zu deutschen Netzbetreibern.

Der verantwortliche Zentralvorstand Rudi Lamprecht hielt sich bislang mit Erklärungen zurück. Dem neuen Bereichsleiter Lothar Pauly blieb nur, den Mangel zu verwalten - und zu sparen.

Es bleibt nur der Name

Dass Siemens angesichts der aktuellen Lage im Handy-Gemeinschaftsunternehmen das Sagen behält, ist beinahe ausgeschlossen. Dem Betriebsrat schwant, dass ein neuer Stellenabbau die Folge wäre. Denn Interesse hat der taiwanesische Partner vor allem am Vertriebsnetz und dem Markennamen von Siemens - auf die Produktionskapazitäten würde BenQ nur zu gerne verzichten.

Für Konzernchef Klaus Kleinfeld ist das Krisenmanagement mit dem Ende der Hängepartie nicht zu Ende. Die nächste Bewährungsprobe wartet: die Suche nach einem Partner für den defizitären IT-Dienstleister SBS. Größte Herausforderung aber wird sein, den Koloss Siemens so beweglich zu machen, dass er schneller auf tief greifende Veränderungen reagieren kann.

© SZ vom 07.05.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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