Kommentar:Das Handy als Kursrisiko

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Viele Menschen vermuten, die Strahlungen von Handys und Mobilfunk-Masten erzeugten Krebs. Man könnte auf den ersten Blick meinen, die Versicherungen teilten diese Ansicht inzwischen.

Von Martin Reim

Jahrelang haben sie Handyhersteller und Netzbetreiber gegen eventuelle Schadensersatz-Zahlungen abgesichert; neuerdings wird dieser Schutz häufig verweigert.

Dies Verhalten zeigt jedoch nur, dass die wirtschaftlichen Gefahren des Mobilfunks größer sind als gedacht. Auf eine geänderte Einschätzung der gesundheitlichen Risiken lässt sich daraus nicht schließen.

Grund: Der Schwenk beruht nicht auf zusätzlichen wissenschaftlichen Erkenntnissen oder einer Neubewertung vorhandener Studien. Die Versicherungen haben vielmehr aus dem Asbest-Problem gelernt: Jahrzehntelang waren Wissenschaftler überwiegend der Ansicht, das Mineral sei ungefährlich.

Mahnendes Beispiel

Seit sich das Gegenteil erwies, werden Milliardenzahlungen an Produzenten und Weiterverarbeiter fällig, weil diese wiederum massiven Schadenersatz leisten müssen. Schon die Vorstellung, beim Mobilfunk könnte es irgendwann ähnlich laufen, lässt die Versicherer zurückschrecken.

Zudem ist der Ausschluss dieser Risiken derzeit relativ leicht durchsetzbar. Über Jahre waren die Versicherer im Industriegeschäft unangemessen großzügig, was zu hohen Verlusten führte. Das wollen viele Anbieter mittlerweile ändern, weshalb für die Kunden ein schärferer Wind weht.

Die Teilhaber von Mobilfunk-Firmen sollte diese Trendwende allerdings vorsichtig stimmen. Falls der Haftpflicht-Schutz tatsächlich unvollständig ist, droht den Konzernen Gefahr.

Denn sie müssten einen möglichen Schadenersatz komplett aus eigener Tasche bezahlen. Vergleichbares hat schon einige von Asbest-Firmen in die Pleite getrieben. Dabei geht es nicht nur darum, ob eine Gesundheitsgefährdung durch Elektrosmog irgendwann zweifelsfrei nachgewiesen wird.

Wahrscheinlichkeit schon ausreichend

Es könnte schon dann kostspielig werden, wenn beispielsweise in den Vereinigten Staaten die Rechtsprechung zur Ansicht käme, eine Schädigung sei genügend wahrscheinlich.

Ein einziges negatives Urteil könnte den Kurs des betroffenen Unternehmens in Mitleidenschaft ziehen. Deshalb ist es geboten, dass die Konzerne über ihren Versicherungsschutz informieren.

Beispiel Siemens: Das Unternehmen schweigt sich in dieser Frage aus. Die Handy-Produktion der Münchner war im vergangenen Quartal so hoch wie nie zuvor und wird immer wichtiger für den Gesamtkonzern. Da könnte man schon mal sagen, welche wirtschaftlichen Risiken darin schlummern.

© SZ vom 28.01.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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