Kommentar:Das Gute im Schlechten

Lesezeit: 1 min

Immer mehr EU-Länder können die Kriterien von Maastricht nicht einhalten. Der Stabilitätspakt funktioniert dennoch.

Von Cornelia Bolesch

Aus Brüssel gibt es eine schlechte und eine gute Nachricht. Die schlechte zuerst: Immer mehr Staaten in der EU bekommen ihre Schulden nicht in den Griff.

Zuerst war es Portugal, das mit dem Stabilitätspakt in Konflikt geriet, dann folgten Frankreich und Deutschland. Nun müssen auch noch Italien, Griechenland, die Niederlande und Großbritannien mit einem Tadel der Kommission rechnen.

Da könnte man schon auf die Idee kommen, dass in der EU die Verabredung zur Haushaltsdisziplin allmählich gekündigt wird.

"Der Pakt funktioniert"

Doch der Währungskommissar persönlich weist diese Sicht zurück. Pedro Solbes macht aus der Brüsseler Frühjahrsprognose eine positive Nachricht. Er sagt: "Der Pakt funktioniert". Und Solbes hat recht. Es ist ja nicht böser Wille, der die Staaten in die Schuldenfalle treibt.

Reformangst spielt dabei eine Rolle, mangelnde Vorsorge und ein Konjunkturoptimismus, der sich wieder einmal als voreilig erwiesen hat. Das sind keine Gründe, gegen Defizitsünder mit Feuer und Schwert vorzugehen. Man kann immer noch auf den guten Willen der meisten Regierungen bauen.

Fast alle bekennen sich zu den Grundsätzen des Paktes, auch wenn es immer wieder Probleme gibt, die guten Vorsätze auch einzuhalten. Ein permanenter Boykott des Paktes durch Schuldenmacher ist jedenfalls nicht zu erkennen.

Ein neuer Geist

Portugal etwa, das erste Sünderland, hat es geschafft und wird aus dem Defizitverfahren entlassen. Die Niederlande und Großbritannien kündigen seriöse Gegenmaßnahmen an, um aus der Finanzmisere zu kommen. Und Deutschland bekommt aus Brüssel wieder ganz vorsichtig gute Noten. Selbst im französischen Finanzministerium scheint ein neuer Geist zu herrschen.

Dass jetzt bereits sechs Länder mit ihren Schulden zu kämpfen haben, könnte dem Pakt paradoxerweise gut tun: Statt weiter die fixe Idee zu verfolgen, man müsse an den großen Staaten Frankreich und Deutschland ein Spar-Exempel statuieren, könnte sich die Diskussion jetzt einer sinnvollen Reform des Paktes zuwenden.

Es muss ein Mechanismus gefunden werden, der die Staaten in guten Zeiten zwingt, ausreichend Rücklagen zu bilden.

Sonderfall Italien

Italien allerdings ist ein Sonderfall. Silvio Berlusconi behauptet jetzt ziemlich frech, die katastrophale Finanzlage in seinem Land sei nur eine Erfindung des EU-Kommissionspräsidenten und politischen Konkurrenten Romano Prodi.

Das Problem mit diesem Ministerpräsidenten kann allerdings kein Defizitverfahren der Welt lösen. Das müssen schon die italienischen Wähler selbst in die Hand nehmen.

© SZ vom 08.04.04 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: