Kommentar:Das Erbe von Yukos

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Der Kanzler betreibt, politisch betrachtet, ein gefährliches Spiel.

Von Ulrich Schäfer

Er bescheinigt dem russischen Präsidenten Wladimir Putin, ein "lupenreiner Demokrat" zu sein; die gewaltige Machtanballung im Kreml scheint ihn nicht zu stören.

Auch bei der Zerschlagung des Ölkonzerns Yukos durch die russischen Behörden kann Schröder keinen Hinweis entdecken, "dass das nicht mit rechtsstaatlichen Mitteln vor sich geht".

Das ruppige Vorgehen der vom Kreml gesteuerten Justiz kann Schröder nicht aufregen, im Gegenteil: Er könne "vollziehen, dass ein Staat auch Steuern haben will".

Das Problem ist nur, dass Putins Vasallen die Steuern auf andere Weise eintreiben als der deutsche Bundesfinanzminister. Die Manager des einst machtvollen Yukos-Konzerns sitzen in Haft oder sind außer Landes geflüchtet.

Freundschaft fürs Geschäft

Und nun folgt der nächste Akt in diesem Drama, in dem es um die politischen Interessen Russlands geht - und am Rande auch um die ökonomischen Interessen Deutschlands.

In Berlin hat man jedenfalls nicht sonderlich viel einzuwenden, wenn sich deutsche Energiekonzerne einen Teil des Yukos-Erbes sichern; ob dies direkt oder indirekt geschieht, scheint egal zu sein.

So will der russische Gazprom-Konzern, an dem neben dem russischen Staat auch der deutsche Energieriese Eon beteiligt ist, eine milliardenschwere Yukos-Tochter ersteigern. Schröder wiederum wünscht sich, dass die deutsche Wirtschaft ihren Anteil an Gazprom erhöht.

Die Bundesregierung verweist zu Recht darauf, dass es im nationalen Interesse liege, die Rohstoffmärkte der Zukunft zu erschließen.

Wenn deutsche Unternehmen selber Öl- und Gasquellen erkunden und im Verbund mit ausländischen Partnern eine stabile Energieversorgung garantieren, würde dies der gesamten Wirtschaft und den Verbrauchern nützen. Doch es ist heikel, wenn ein Teil dieses viel beschworenen Zukunftsmarktes ausgerechnet Yukos heißen sollte.

Zumindest diesen Anschein des Anrüchigen sollten die deutschen Versorger und der Kanzler vermeiden. Es gibt auch andere Möglichkeiten, sich in Russlands Energiewirtschaft zu engagieren. Ganz ohne Interessenverquickung wird auch dies nicht gehen.

Doch was wäre die Alternative? Vielleicht ein Investment deutscher Unternehmen in Saudi-Arabien? Oder in Libyen? Der Energiebedarf hier zu Lande ist immens. Er lässt sich nicht decken, wenn Deutschland sein Öl und sein Gas allein aus Musterdemokratien importiert.

Der Kanzler sollte seine Nähe zu Wladimir Putin deshalb nicht nur fürs Geschäft nutzen - sondern auch für ein ernstes Wort unter Freunden.

© SZ vom 01.12.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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