Kommentar:Clement ganz privat

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Wolfgang Clement, der Schnelldenker im Kabinett, hat wieder zugeschlagen. En passant hat er in einem Interview die Idee aufgebracht, Deutschlands Autobahnen künftig privat zu finanzieren.

Von Ulrich Schäfer

(SZ vom 15.01.03) - Groß war deshalb die Aufregung in Berlin: Die Opposition lehnte die Idee prompt ab, die Grünen mokierten sich, dies sei ein "Schuss aus der Hüfte", und Verkehrsminister Manfred Stolpe korrigierte seinen Kabinettskollegen: Nein, eine Maut für Pkws sei nicht geplant. Das Wirtschaftsministerium musste deshalb einräumen, Clement habe nur einen Denkanstoß geben wollen.

Dieser Denkanstoß freilich ist gar nicht so dumm. Warum soll in Deutschland nicht funktionieren, was anderswo üblich ist?

In Großbritannien werden Hochgeschwindigkeitsstraßen oder U-Bahnen von privaten Firmen betrieben, oder es wird, um das Verkehrsaufkommen zu steuern, eine Maut für die Londoner Innenstadt erhoben.

Längst an die Maut gewöhnt

In Frankreich oder Italien haben deutsche Kraftfahrer sich längst an die Autobahnmaut gewöhnt, die seit Jahrzehnten an den Zahlstationen erhoben wird.

Auch Wirtschaftswissenschaftler werben dafür, dass derjenige, der eine Straße nutzt, dafür bezahlt; schließlich verursacht er Kosten (und verdreckt die Luft).

Dass die Autofahrerlobby, voran der ADAC, sich gegen solch eine Gebührenerhebung sträubt, ist nicht verwunderlich. Doch ein Grundrecht darauf, dass allein der Staat für Verkehrswege aufkommt, gibt es nicht.

Dabei kann es nicht darum gehen, alle existierenden Autobahnen in private Hände zu geben; schließlich hat deren Bau der Staat bereits bezahlt.

Bei neuen Projekten sinnvoll

Anders liegt der Fall hingegen bei neuen Verkehrsprojekten. Sinnvoll ist es etwa, wie bei der jüngst eröffneten Warnow-Querung nahe Rostock, Tunnel oder Brücken privat zu bauen und mit Zahlstationen auszustatten.

Sinnvoll wäre auch: Falls ein privater Investor bestehende Autobahnen um einen Fahrstreifen erweitert, bekommt er dafür Einnahmen aus der Lastwagenmaut. Zudem erhält er eine Anschubhilfe des Bundes; eine Maut für Pkws wäre nicht nötig. Diese Idee übrigens stammt aus dem Verkehrsministerium - und soll demnächst erstmals verwirklicht werden.

Vielleicht hat Clement ja solche intelligenten Lösungen gemeint. Es steht jedenfalls zu hoffen, dass der Privatisierungswille der Regierung trotz des Debakels bei der Lastwagen-Maut nicht erlahmt - und dass der Wirtschaftsminister weiterhin dafür wirbt, dass weniger Staat oft mehr ist, auch im Straßenbau.

Andernfalls wird in Zeiten leerer Staatskassen Deutschlands modernes Verkehrsnetz langsam verrotten.

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