Kommentar:Brüssel gibt die Stabilitätsregeln auf

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Einst war der Stabilitätspakt so wirksam wie einfach zu verstehen. Bald ist er nur noch ein wertloser Stapel Papier,

Von Alexander Hagelüken

Das Schöne am Europäischen Stabilitätspakt war immer, dass er so einfach zu verstehen ist. Viele politische Instrumente kranken an ihrer Vagheit, dieses nicht: Euro-Staaten verstoßen gegen den Pakt, wenn sie eine Etatlücke von mehr als drei Prozent der Wirtschaftsleistung produzieren. Punkt.

Keine Unklarheiten, keine Hintertürchen. Der Pakt hat eine eindeutige Botschaft: Wer viel mehr Geld ausgibt, als er einnimmt, wirtschaftet unsolide - und belastet die gemeinsame Währung. Deshalb sollen Staaten unter der Defizitgrenze bleiben oder ihre Neuverschuldung wenigstens schnell wieder reduzieren.

Gut mäkeln ließ es sich immer

Natürlich ließ sich an dieser einfachen Regel schon immer viel herummäkeln. Warum gerade drei Prozent, warum nicht zwei oder vier? Soll ein Land in der Krise um jeden Preis sparen, oder schadet dies der Konjunktur? Die Realität zeigte, wie wenig stichhaltig diese Einwände sind.

Weil eine andere Defizitgrenze genauso willkürlich wäre, passt drei Prozent als Limit ganz gut. Und: Die EU-Kommission als Wächter des Paktes hat Staaten in der Rezession stets genug Zeit zur Konsolidierung gegeben. Kaputtsparen musste sich keiner.

Der Pakt hat ein anderes Problem: Er ist den Euro-Schwergewichten lästig. Die Regierungen in Berlin und Paris wollen keine Vorgabe, sparsam zu wirtschaften - nicht in schlechten Zeiten, nicht in guten, überhaupt nicht.

Deshalb wollen sie die Defizitregel mit so vielen Ausnahmen durchlöchern, dass das Limit verschwindet. Dann können Gerhard Schröder und Jacques Chirac Wohltaten unter die Wähler streuen, wann es ihnen passt - auch wenn sie gerade zum Wohle des Euro sparen sollten.

In Wahrheit zerstörerisch

Es ist unverständlich, dass EU-Währungskommissar Joaquin Almunia bei diesem Spiel mitmacht. Es mag auf den ersten Blick gut klingen, staatliche Ausgaben für Forschung oder EU-Beiträge zu honorieren. In Wahrheit führt es nur dazu, das einfache Instrument des Stabilitätspakts zu zerstören.

Künftig wird jedes Land irgendeine Ausnahme reklamieren, wegen der es leider, leider gerade nicht sparen kann. Im Euro-Riesenreich mit bald womöglich 20 sehr unterschiedlichen Staaten wird es gar keine Regeln mehr geben.

Einst war der Stabilitätspakt so wirksam wie einfach zu verstehen. Bald ist er nur noch ein wertloser Stapel Papier.

© SZ vom 08.01.05 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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