Kommentar:Aus der Defensive

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Die Reform des Dax, wonach künftig Unternehmen mit Sitz im Ausland im deutschen Leitindex notiert werden können, wird zu keiner Dominanz ausländischer Unternehmen im Dax führen. Vielmehr ist der Schritt der Börse defensiver Natur.

Martin Hesse

Es riecht ein bisschen nach Lex Deutsche Börse, was der Frankfurter Handelsplatzbetreiber jetzt auf den Weg gebracht hat: Die Börse ändert die Regeln für die Aufnahme in den Leitindex Dax - und könnte selbst bald erster Nutznießer der Reform sein.

Sollte die angestrebte Fusion mit der Vierländerbörse Euronext doch noch zustande kommen, könnte die Deutsche Börse auch dann im Dax bleiben, wenn ihr juristischer Sitz künftig in Amsterdam läge. Zwar hat die Änderung so einen faden Beigeschmack, gleichwohl ist sie sinnvoll, weil die Börse ihre Regularien der Realität anpasst.

Aktienindizes sollten die Wirtschaft eines Landes möglichst genau abbilden. Anleger, die sich beispielsweise über einen Index-Fonds an den 30 Unternehmen des Dax beteiligen, tun dies, weil sie auf eine positive Entwicklung der deutschen Wirtschaft hoffen und daran teilhaben wollen.

Verzerrtes Bild

Wo sich der Sitz der größten deutschen Konzerne befindet, ist dabei aus Anlegersicht völlig irrelevant. So hätte der Dax ein verzerrtes Bild der deutschen Wirtschaft geliefert, wenn mit der Allianz der größte Versicherer des Landes aus dem Index gefallen wäre, nur weil er im Zuge der Umwandlung in eine Europäische Aktiengesellschaft ("Europa AG") seinen Sitz ins Ausland verlegt hätte.

Von Jahr zu Jahr schließen sich gerade in Europa immer häufiger Unternehmen über Grenzen hinweg zusammen. Mit der Europa AG existiert zudem eine Rechtsform, die Unternehmen dazu einlädt, ihren Sitz innerhalb der Europäischen Union frei zu wählen. Deshalb ist ein Index, der auf den Firmensitz abstellt, nicht mehr zeitgemäß. Andere Börsen haben ihre Indizes längst für ausländische Firmen geöffnet.

Abwanderung verhindern

Die Index-Reform wird daher nicht dazu führen, dass reihenweise ausländische Konzerne in den Dax aufrücken. Vielmehr ist der Schritt der Börse defensiver Natur. Der Vorstand will verhindern, dass deutsche Unternehmen an ausländische Handelsplätze abwandern. Geschähe dies, würde an deutschen Börsen weniger gehandelt, sie verlören im internationalen Wettbewerb an Gewicht.

Allerdings hat es die Deutsche Börse nur zum Teil selbst in der Hand, Unternehmen auf ihrer Handelsplattform zu halten. Letztlich ist der Dax nur so stark und bei Anlegern so gefragt, wie die Konzerne, aus denen er sich zusammensetzt. Auch die neue Regel hätte nicht verhindern können, dass etwa die HypoVereinsbank, der Chemiekonzern Hoechst und Mannesmann in den vergangenen Jahren aus dem Dax verschwunden sind.

© SZ vom 08.06.06 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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