Kommentar:Amerikanische Übertreibungen

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Wieder einmal gibt es in Amerika neue Haushaltszahlen, und wieder einmal ist die Stunde der Kassandras gekommen.

Von Marc Hujer

(SZ vom 27.08.03) - Fast schon im Monatstakt werden inzwischen neue Negativmeldungen zum Defizit bekannt und sind willkommener Treibstoff für die demokratische Wahlkampfmaschine: Erst fehlten nur 290 Milliarden Dollar, die alte Rekordzahl des glücklosen Wirtschaftsmanns George Bush senior, dann waren es bald mehr als 300, mehr als 400 und nun fast 500 Milliarden Dollar, die der Staat mehr ausgeben als einnehmen wird.

Jede Zahl für sich genommen ist ein Rekord, und so betrachtet ist die Lage der Staatsfinanzen wirklich viel schlimmer aus als jemals zuvor in Amerikas Geschichte. George Bushs Gegner hatten schon vorher ihre Warnungen herumposaunt, nun stehe der Staat vor dem Bankrott, die Sozialsysteme vor dem Ruin und der Präsident vor dem Aus.

Hoffnungen der Demokraten

Die Haushaltskrise wird zweifellos die politischen Debatten des Herbstes beherrschen, überladen von den Hoffnungen der Demokraten für die kommende Präsidentschaftswahl.

Für Bush dürfte es von Nachteil sein, dass auch die Bundesstaaten unter Haushaltsproblemen leiden und dies zu Einschnitten im täglichen Leben der Bürger führt.

Hinzu kommt, dass der Klamauk um die Kandidatur von Arnold Schwarzenegger als Gouverneur von Kalifornien ebenfalls um das Thema kreist, und so die Debatte auch an schlichteren Gemütern nicht vorbeigeht.

Übertrieben

Nüchtern betrachtet jedoch ist die Aufregung um Bushs Defizit übertrieben. Gemessen an der Wirtschaftskraft schreibt der Staat nicht übermäßig viel neue Schulden. Das Defizit beträgt 4,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. In den achtziger Jahren, als Reagan Präsident war, waren es immerhin sechs Prozent.

Wenn überhaupt etwas bedenklich ist, dann die Geschwindigkeit der Veränderung: von Milliardenüberschüssen im Jahr 2000 zu Rekorddefiziten heute.

Dies ist aber nur gefährlich, wenn Bush mit dem Staatsgeld weiter so freizügig umgeht wie bisher - und das werden die Wirtschaftsliberalen in seiner Partei zu verhindern wissen.

Boom in Sicht

Abgesehen davon scheint ihm inzwischen die Konjunktur Recht zu geben: Seit kurzem macht sich in Amerika Euphorie breit, Experten rechnen mit einem robusten Boom, und das Präsidialamt geht schon Ende dieses Jahres wieder von einem Wachstum von drei Prozent, 2004 sogar von vier Prozent aus.

Während in anderen Industrieländern Regierungen aufs Sparen gesetzt haben, hat Bush Geld ausgegeben, um die Wirtschaft zu beleben. Wenn er es schafft, wird das neue Rekorddefizit bald kein Thema mehr sein.

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