Kommentar:Airbus, Prestige, Risiko

Lesezeit: 3 min

Der A380 ist für Airbus der krönende Abschluss im oberen Flugzeugsegment. Und doch — ist es nicht vielleicht nur ein Prestige-Objekt?

Von Marc Beise

Natürlich haben wir "in die Live-Bilder hineingeschaut", wie es der öffentlich-rechtliche Fernseh-Moderator euphorisch empfohlen hat, haben wirklich schöne Bilder aus Toulouse gesehen, Rauch und Fontänen, haben schmachtende Musik gehört und selbstzufriedene Bosse aus Politik und Wirtschaft: Voilà, der Gigant der Lüfte ist endlich enthüllt, der neue Airbus A380.

Groß ist die Begeisterung in Politik, Unternehmen und Medien. Es handele sich, so ist zu hören, um einen Quantensprung in der Technik, um gelungene Ästhetik, ein fliegendes Gesamtkunstwerk und um einen Garanten für zehntausende Jobs - und vor allem um Balsam auf die wunde europäische Seele: Der alte Kontinent ist wieder Spitze. Ein Meilenstein in der Geschichte der Menschheit sei zu besichtigen, hat doch tatsächlich jemand gesagt an diesem Dienstag, und spätestens in diesem Moment kamen die Zweifel.

Zu erinnern sind all die Bedenken, die das Airbus-Projekt begleiten, seitdem Ende der sechziger Jahre einige technikbegeisterte und der Industrie verbandelte Politiker wie in Deutschland Franz-Josef Strauß mit fast brachialer Gewalt Subventions-Milliarden für einen höchst ungewissen unternehmerischen Trip losgeeist haben.

Nun heißt es zwar: Airbus liegt vor Boeing, hat im zweiten Jahr in Folge mehr Flugzeuge ausgeliefert als der Platzhirsch - wer hätte das gedacht? Und nun also der krönende Abschluss im oberen Segment, bei den ganz großen Langstreckenflugzeugen: das Flugzeug mit zwei Etagen und 480 bis 850 Sitzplätzen, das den betagten Boeing-Jumbo in jeder Hinsicht deklassiert. Big is beautiful, und alles wird gut - wirklich?

149 Vorbestellungen reichen nicht

Es könnte doch sein, wagen wir leise anzumerken, dass es sich hier vor allem um ein Prestige-Objekt handelt, dessen Vernünftigkeit und dessen Wirtschaftlichkeit noch gar nicht erwiesen ist. Die Franzosen, die sich den Airbus-Triumph im wesentlichen selbst zuschreiben, haben schon einmal das schönste, modernste und kühnste Flugzeug gebaut, das doch eine gigantische finanzielle Luftnummer war und längst nur noch fürs Museum taugt: die Concorde.

Zwar gibt es 149 Vorbestellungen für den A380, aber das ist zu wenig für die Wirtschaftlichkeit. Werden die Fluggäste genauso begeistert sein von Superlativen und Massen-Luftverkehr wie die Techniker? Es könnte doch durchaus sein, dass kleinere Einheiten reizvoller sind und am Ende auch wirtschaftlicher. Worauf ja die Boeing-Konkurrenz drüben in Seattle spekuliert, die sich ja auch etwas gedacht hat bei ihren weiteren Plänen.

Andererseits setzt unternehmerischer Erfolg auch Mut voraus, man muss also etwas wagen. Das geht nicht ohne neue Ideen, neue Maßstäbe, neue Technologien. Verteufelt man nun das Großprojekt, erstickt womöglich die Aufbruchstimmung in Deutschland im Keim.

Es ist reizvoll, die Parallelität der Ereignisse zu nutzen und den großen Bogen zu spannen: der Roll out des Airbus und die erfolgreiche Huygens-Mission zum Saturnmond Titan als Zeichen der Vitalität des alten Kontinents. Doch gerade der Vergleich mit der Raumfahrt gibt zu denken.

Vielleicht nur der zweitbeste Weg

Denn auch dort haben die maßgebenden Staaten einmal ganz auf die spektakulärere Variante gesetzt, in diesem Fall die benannte Raumfahrt, was teuer war und wenig gebracht hat. Wissenschaftlich wäre die Welt heute weiter, hätte man gleich auf die ungleich kostengünstigere und bescheidenere unbemannte Raumfahrt gesetzt.

Und so wird sich vielleicht auch die Airbus-Gigantomanie als nur zweitbester Weg herausstellen.

Wir könnten das alles unentschieden lassen, wenn es nur um Unternehmensentscheidungen ginge wie bei der Frage, ob die Fusion DaimlerChrysler sinnvoll war. Hier aber geht es um Steuergelder, die in großer Höhe geflossen sind und weiter fließen. Zwölf Milliarden Euro kostet allein die Entwicklung des A380, eineinhalb Milliarden mehr als geplant, ein Teil davon kommt vom Staat.

Insgesamt hat dieser in den vergangenen Jahrzehnten mindestens 15 Milliarden Euro an Airbus bezahlt, zum Teil als Darlehen zwar, aber zu staatlich günstigen Sonderkonditionen. Das gehe nicht anders, heißt es, denn Projekte dieser Größenordnung seien nicht privat finanzierbar.

Das ist das Problem bei Industriepolitik immer, um die es sich ja hier im Kern handelt: Es sind Projekte mit riskantem Verlauf. Meistens funktionieren sie nicht - was auch kein Wunder ist, denn kein Kanzler Schröder und kein Präsident Chirac kann ernsthaft erklären, warum in den Amtsstuben der wirtschaftliche Sachverstand höher und der Weitblick größer sein soll als in der Wirtschaft selbst. Helfende Rahmenbedingungen sind wichtig, Finanzierung der Grundlagenforschung, sogar Anschubfinanzierung - aber sicher nicht Dauersubvention über Jahrzehnte.

Kurz gesagt: Wenn der Airbus eine Erfolgsstory ist, wie behauptet wird, dann muss er sich nach 35 Jahren bitte langsam selbst finanzieren. Ganz schlimm wäre es, wenn der Airbus noch als Rechtfertigung diente für alle möglichen neuen Subventionen, wenn sich also jetzt die Schleusen öffnen würden für hemmungslose Industriepolitik. Schon der Airbus ist ein gewaltiges Experiment. Weitere können wir uns nicht leisten.

© SZ vom 19.01.2005 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: