Kommentar:2017 und 2015

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Überbringer schlechter Botschaften werden seit jeher abgestraft. CSU-Vize Manfred Weber meint nun, dass Europa Griechenland allein helfen kann.

Von Cerstin Gammelin

Überbringer schlechter Botschaften wurden der Sage nach schon in der Antike abgestraft, im Mittelalter gar geköpft. Auch CSU-Vize-Chef Manfred Weber hat gerade eine Botschaft überbracht, die von seinen Parteifreunden als schlecht gewertet wird. Weber hat angemerkt, dass Europa dem hoch verschuldeten Griechenland notfalls allein helfen kann. Ohne den Internationalen Währungsfonds. Das stimmt zwar faktisch, verstößt aber gegen die strikte Sprachregelung in der Union, wonach der IWF sich an der Griechenlandrettung beteiligen muss, damit weitere Kreditbürgschaften nach Athen fließen.

Weber hat das Überbringen der Botschaft körperlich unversehrt überstanden. Allerdings nicht ungestraft. Aus Bayern und aus der Berliner Unionsfraktion drang umgehend harsche Kritik nach außen, selbstverständlich müsse der IWF bei den Griechenlandhilfen mitzahlen. Weber habe eine unabgesprochene Einzelmeinung geäußert, die wohl entstanden sei in der Brüsseler Luft. In Europa, nicht hier in Berlin. Es klang wie: Basta!

Der Europapolitiker Weber hat eine überfällige Diskussion angestoßen

Man mag das jetzt angemessen finden oder nicht. Fakt ist eines: Der Europapolitiker Weber hat mit seiner Forderung, den IWF notfalls ziehen zu lassen, eine überfällige Diskussion angestoßen. Nämlich die, ob die Europäer nicht endlich groß genug sind, für sich selbst zu sorgen.

Die Frage stellt sich insbesondere, weil die Welt jetzt eine andere ist als 2015, als das Programm beschlossen wurde. Wenn sich Rahmenbedingungen ändern, ist es immer angebracht, neu nachzudenken. Sie stellt sich auch, weil der IWF eigene Finanzhilfen mit Bedingungen verknüpft, die von den Europäern, auch von der Union, wahlweise als nicht erfüllbar oder nicht sinnvoll abgewiesen werden. Auch weil Griechenland zwar Fortschritte macht, seine Administration aber noch immer auf dem Niveau eines besseren Entwicklungslandes verharrt.

Hinzu kommt innenpolitischer Druck. Europa steht vor Wahlen in drei Euro-Kernländern, den Niederlanden, Frankreich und Deutschland. Insbesondere in Deutschland ist der anschwellende Streit um die Griechenlandhilfen geeignet, Wähler aufzuregen. Vor allem die Union, die einst die Teilnahme des IWF an den Hilfen zur Bedingung erhob, sieht sich in der Pflicht zu verhindern, dass der ungelöste Dauerstreit Wähler zu politischen Konkurrenten wandern lässt. Sie muss etwas tun.

Finanzminister Wolfgang Schäuble hat versucht, das Problem mit noch mehr Druck zu lösen. Er hat Griechenland abermals mit Grexit gedroht, falls Athen nicht ausreichend reformiert. Das wiederum hat die Märkte nervös gemacht, die Rendite zweijähriger Anleihen kletterte erstmals seit einem halben Jahr wieder über zehn Prozent. Das Szenario erinnert an den Sommer 2015, als Athen kurz vor dem Euro-Austritt stand - nahegelegt von Schäuble, später verhindert von Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Aber 2015 ist nicht 2017. Die EU verliert mit Großbritannien das erste Mitgliedsland. In den USA regiert Donald Trump, Europa will zusammenstehen. Die fragile Lage und die anstehenden Wahlen machen den Ausgang im Streit über die IWF-Beteiligung ungewiss.

Vor einem Jahr noch war Schäuble zuversichtlich, der IWF werde, wie vom Bundestag beschlossen, wenigstens mit einem symbolischen Betrag einsteigen. Es hätte keine neue Krise um Griechenland im Wahljahr gegeben. Die Zuversicht ist dahin. Der IWF sieht sich durch die laufende Programmprüfung bestätigt, dass die Reformen des Programms nicht dazu führen, dass Athen seine Schulden dauerhaft tragen kann. Er hält Schuldenerleichterungen für nötig, um dem Land auf die Beine zu helfen. In Berlin wächst die Sorge, IWF-Chefin Christine Lagarde könnte hart bleiben gegenüber Europa.

Das gilt auch, weil Trump regiert. Vor zwei Jahren hatte der damalige US-Präsident Barack Obama wissen lassen, dass die USA wünschen, dass die Euro-Zone beisammenbleibt. Nichts deutet darauf hin, dass Obamas Nachfolger ähnliche Rückendeckung gibt.

Merkel wiederum hat bekräftigt, dass sie Griechenland im Euro halten will. Zugleich beginnt der Wahlkampf. Damit ist das Szenario vorgegeben. Abwarten scheidet als Option aus. Es bleiben zwei Möglichkeiten. Schäuble und Merkel erhöhen den moralischen Druck auf die Europäerin Lagarde, doch noch einzusteigen. Gelingt das nicht, bleibt der Union nichts übrig, als Webers Vorschlag aufzugreifen. Das laufende Programm wird schon jetzt ausschließlich vom bestens ausgestatteten Euro-Fonds ESM finanziert. Der IWF ist nicht dabei. Was spricht dagegen, den Status quo zu einer realistischen Option für die Zukunft zu erheben?

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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