Köhler-Nachfolge:Streit um den künftigen IWF-Chef

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Im Ringen um einen neuen Chef für den Internationalen Währungsfonds stoßen die Europäer auf heftigen Widerstand: Über 100 Schwellenländer haben in einem Brief ihre Bedenken formuliert.

Von Ulrich Schäfer

Die Schwellen- und Entwicklungsländer aus Asien, Lateinamerika und Afrika fordern in ihrem Schreiben ein "offenes und transparentes Auswahlverfahren".

Der beste Kandidat solle zum neuen Geschäftsführenden Direktor des IWF gewählt werden, unabhängig von seiner Nationalität. Die über 100 Länder werden von Russland, der Schweiz und Australien unterstützt.

Wider die Tradition

Sie stellen mit ihrem Brief die Tradition infrage, wonach stets ein Europäer den Fonds leitet, während ein US-Amerikaner die Schwesterorganisation des IWF, die Weltbank, leitet.

Finanzminister Hans Eichel und sein französischer Kollege Francis Mer lehnten das Ansinnen der Länder, eine breitere Liste von Kandidaten zuzulassen, jedoch umgehend ab: "Das muss in Europa geklärt werden", sagte Eichel nach einem Treffen mit Mer in Berlin.

Deutschland und Frankreich seien sich einig, dass der neue IWF-Chef "wieder ein Europäer sein soll"; dafür gebe es "gute Gründe". Eichel lehnte es jedoch ab, diese Gründe öffentlich zu erläutern.

Sein französischer Kollege Francis Mer kündigte an, die EU-Staaten würden sich bis spätestens Ende April auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen. Als möglichen IWF-Chef nannte Mer dabei indirekt den Präsidenten der Osteuropabank, Jean Lemierre.

Die französische Zeitung La Tribune hatte zuvor berichtet, Präsident Jacques Chirac wolle Lemierre für das Spitzenamt nominieren. Am Wochenende hatte mit Pascal Lamy, dem derzeitigen EU-Handelskommissar, ein weiterer Franzose sein Interesse an dem IWF-Job bekundet.

Die neue spanische Regierung hatte zuvor den bisherigen Finanzminister des Landes, Rodrigo Rato, ins Spiel gebracht, der aber in Paris und Berlin auf Ablehnung trifft.

Recht des Zahlungskräftigeren

Auch ein Sprecher von Kanzler Gerhard Schröder sagte, ein EU-Vertreter an der Spitze des Fonds sei "weiterhin das Ziel". Es entspreche der Tradition, "dass dies ein Europäer wird, der dann als solcher auch die Interessen der Schwellenländer vertritt", sagte der deutsche Regierungssprecher.

Als möglicher Kandidat der Entwicklungsländer wurde unterdessen der ehemalige Präsident von Mexiko, Ernesto Zedillo, gehandelt. Zedillo leitet derzeit das Zentrum für Globalisierung an der Yale-Universität in den USA. Der Posten des Geschäftsführenden IWF-Direktors ist vakant, seit Horst Köhler vor drei Wochen dieses Amt niedergelegt hat, um als Unions-Kandidat bei der Wahl des Bundespräsidenten anzutreten.

Im IWF, der sich seit rund 60 Jahren um die Stabilität der globalen Finanzmärkte und Länder in Zahlungsnot kümmert, sind die 184 Mitgliedsstaaten nicht gleich berechtigt. Ihr Stimmgewicht richtet sich nach der Höhe des finanziellen Beitrags.

So verfügen die USA als größtes Zahlerland mit knapp 18 Prozent über den größten Stimmenblock, gefolgt von Japan (6,1), Deutschland (6,0) sowie Frankreich und Großbritannien mit je knapp fünf Prozent. Aufgrund ihres hohen Stimmenanteils hatten die Industriestaaten die Personalfrage, ebenso wie andere wichtige Entscheidungen in den globalen Wirtschaftsorganisationen, meist unter sich ausgemacht.

Gegen die Vorherrschaft der Reichen hatten sich die armen Länder in letzter Zeit wiederholt aufgelehnt. So war im Herbst die Welthandelsrunde im mexikanischen Cancun am Konflikt zwischen den Entwicklungs- und den Industrieländern gescheitert.

Kenner der internationalen Wirtschaftspolitik rechnen deshalb damit, dass die Entwicklungsländer sich durch die harte Haltung der Europäer diesmal nicht einschüchtern lassen und auch der überstürzten Nominierung eines europäischen Kandidaten zustimmen werden.

Eichel hatte am Montag eine schnelle Entscheidung gefordert: "Je länger sich das heraus zögert, umso schwieriger wird es", sagte der deutsche Finanzminister. Vor drei Jahren hatten Europäer und Amerikaner ein Vierteljahr lang über eine Nominierung des deutschen Finanzstaatssekretärs Caio Koch-Weser gestritten, ehe sie sich schließlich auf den Ersatzkandidaten Horst Köhler einigten.

© SZ vom 23.03.2004 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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