Koch und Steinbrück:Duo ohne Dissonanzen

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Trotz unterschiedlicher Parteizugehörigkeit stehen sich die Ministerpräsidenten von Hessen und Nordrhein-Westfalen, Koch (CDU) und Steinbrück (SPD), fachlich und persönlich nahe.

Von Robert Jacobi

(SZ-Artikel vom 1.10.2003)— Es war nur ein kurzer Ausrutscher. "Wir stecken in einer politischen Notlage", sagte der hessische Ministerpräsident Roland Koch, "nicht in einer Notlage des ganzen Landes".

Der Seitenhieb galt der Bundesregierung und dem Bundeskanzler, dessen Posten er gerne hätte. Kollege Peer Steinbrück aus Nordrhein-Westfalen beherrschte sich, ging über die Polemik hinweg. Und sofort scherzten Unionsmann und Sozialdemokrat wieder miteinander, als seien sie nicht nur in derselben Partei, sondern beste Freunde aus allerfrühester Jugendzeit.

Oberlehrerhaft, aber anschaulich

In einem langen Sitzungsraum des Bundesrats stellten die beiden am Dienstag ihr Konzept zum Subventionsabbau vor. Etwas oberlehrerhaft anhand einer Computerpräsentation, aber anschaulich und manchmal sogar unterhaltsam. George Orwell hätte an den großflächig auf die Leinwand geworfenen Leitsätzen der beiden Länderchefs seine Freude gehabt: "Allein würde jeder anders handeln", hieß es dort, und: "Gemeinsam müssen wir fähig sein zu handeln".

Koch und Steinbrück waren sich im Frühjahr fachlich und persönlich näher gekommen, als sie im Auftrag des Vermittlungsausschusses einen Kompromiss zur Körperschaftssteuer aushandelten. Im Subventionsabbau entdeckten sie die nächste Profilierungschance.

Selten verursachten Ministerpräsidenten ein größeres Medieninteresse in der Hauptstadt als das Duo aus Wiesbaden und Düsseldorf. Dabei beruhte ihre Arbeit nicht auf einer gesetzlichen Grundlage und hatte auch sonst keinen rechtlichen Status.

Hilfsweise beriefen sie sich auf Ludwig Erhard und seinen Satz von der Täuschung darüber, dass "der Ausgabensteigerung der öffentlichen Hand überhaupt keine Grenzen mehr gesetzt seien". Mit bunten Tabellen zu niedrigem Wachstum und hohen Schulden wollten Koch und Steinbrück beweisen: Nie war die Zeit günstiger als heute, diese Täuschung zu entlarven.

Subventionsabbau = wegnehmen

Subventionsabbau sei immer damit verbunden, dass man "etwas wegnimmt" räumte Koch ein. Damit niemand besonders laut klagen kann, wählten die beiden, wenn dies rechnerisch möglich war, die Rasenmähermethode: Jede Subvention wird bis 2006 jedes Jahr um vier Prozent gekürzt. Dieses Vorgehen soll die Sparliste dem Parteienstreit entheben. Da viele Subventionen als "Steuerungsinstrumente" ausdrücklich gewollt waren oder sind, sei eine komplette Streichung schwer durchsetzbar.

Kompromiss im Bundesrat Steinbrück und Koch verstehen ihr Papier nur als einen "ersten Schritt", als einen Vorschlag an die Bundesregierung - die darauf gleich auch einging: Finanzminister Hans Eichel will die Liste noch in diesem Jahr zum Gesetz machen - und wies darauf hin, dass seine Vorschläge zum Abbau von Pendlerpauschale und Eigenheimzulage längst weiter gehen.

Immerhin ist ein Kompromiss im Bundesrat jetzt wahrscheinlicher. Eichel hat schon 1,2Milliarden Euro aus der Arbeit von Koch und Steinbrück in seinem Haushalt für 2004 verbucht. Weitere Milliarden könnte er gut gebrauchen, muss er doch das Vorziehen der Steuerreform finanzieren. Dafür wollen Koch und Steinbrück das Ergebnis ihrer Sparvorschläge zwar nicht missbraucht sehen, doch so genau lässt sich das nicht trennen.

Die beiden Ministerpräsidenten sind überzeugt, ein zukunftsweisendes Modell entwickelt zu haben: Ihr Werkzeug sei auch für spätere, tiefere Einschnitte verwendbar. Als Vorbild für eine große Koalition wollten sie ihre Arbeit aber nicht verstehen. Es handle sich letztlich um einen Minimalkonsens, sagte Koch, "und ich möchte kein Land mit einem Minimalkonsens regieren".

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