Kleine Revolution:Eine Landesbank lehrt Buffett

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Eine Handvoll Überzeugungstäter bei der BayernLB schickt sich an, das Kapitalmarktgeschäft bei der zweitgrößten deutschen Landesbank neu zu erfinden.

Simone Boehringer

Im Wesentlichen sind es Finanzmarkt-Vorstand Dieter Burgmer, Vertriebsbereichsleiter Karl Filbert und Projektchef Stefan Rehder, die die in Amerika verbreitete, aber hier weniger populäre Anlagephilosophie des "Value Investing" einführen - zunächst im eigenen Aktiengeschäft und damit auch bei den 77 bayerischen Sparkassen, deren Dachinstitut die BayernLB ist.

Erfunden an der New Yorker Columbia Universität vor mehr als 40 Jahren und vorgelebt von Investmentgurus wie Warren Buffett, stellt dieser Anlageansatz einiges in Frage, was die in Europa vorherrschende Kapitalmarkttheorie lehrt: Etwa die übliche Bewertung von Firmen nach künftig erwarteten Zahlungsströmen, dem so genannten Cash-flow.

"Nicht mehr jeder Quartalszahl hinterherspringen"

"Dabei werden gute, zeitnahe, mit schlechten, weil vagen künftigen Zahlen vermischt", sagt Projektchef Rehder und beruft sich auf Benjamin Graham, den Direktor der Columbia University und Urvater des "Value Investing" in den USA, "das Bewertungsergebnis ist daher nicht sehr treffsicher", sagt Rehder.

Stattdessen analysieren die derzeit 22 Aktienanalysten der BayernLB künftig stärker die Vergangenheit von Unternehmen, legen mehr Wert auf Substanz - und weniger auf Perspektiven in der weiter entfernten und damit unsicheren Zukunft. Einige Analysten freuen sich schon, nicht mehr "jeder Quartalszahl hinterherspringen zu müssen".

Analog zu Graham und Buffett "wollen wir den Unternehmen mehr Zeit lassen, an der Börse ihre faire Bewertung zu erreichen", sagt Vertriebsmann Filbert. "Ein gutes Unternehmen ist nicht automatisch auch ein gutes Investment", sagt Rehder.

Vor allem der "Glanzfaktor" durch einmal erreichte Popularität sei es, der viele Kapitalmarktakteure immer wieder in die gleichen Aktien treibe. Der Herdeneffekt sorge zunächst für weitere Kurssteigerungen; langfristig habe sich aber gezeigt, dass mit Investitionen in vermeintlich langweilige, weniger beachtete Titel mehr Rendite erzielt werden könne.

Substanz statt Mode

"In steigenden Märkten partizipieren und in fallenden weniger verlieren als der Schnitt" sollen dadurch die Kunden. Die Argumente sind alt, aber kaum umgesetzt.

Wenn sie durchhält, kann die BayernLB mit der Neuorientierung eine kleine Revolution auslösen, die zunächst die etwa sechs Millionen bayerischen Sparkassenkunden in ihren Depots sehen könnten: Mehr Industrie- und Infrastrukturtitel müssten dann darin sein und weniger von Solarfirmen und aus anderen Modebranchen.

In Zeiten fallender Kurse dürften sich die Empfehlungen von Nebenwerten zu Lasten von Dax-Aktien mehren. Und: Portfolio-Umschichtungen, die der Bank Provision bringen, müssten seltener werden.

Vorstandsmitglied Burgmer sagt zumindest: "Wir reden von einem strategischen Ansatz. Es geht nicht darum, kurzfristig Geld in die Kasse zu spülen." Sein Team plant, "das Konzept ins Herzstück der BayernLB zu tragen, das Anleihegeschäft."

© SZ vom 13.07.2006 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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