Kleine Geschichte des Flipper:Rütteln und retten

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Ein Flippermuseum in Schwerin pflegt die alte Spielekultur. (Foto: Jens Büttner/dpa)

Das Flippergerät stammt aus einer altmodischen, analogen Welt. Jetzt erlebt es eine Renaissance. Kein Wunder: Eine App ist nicht dasselbe wie ein Automat, durch den man eine echte Kugel schubsen muss.

Von J . Schmieder, K . Werner

Es gab einmal eine Zeit, da gingen die Menschen nach dem Abendessen nach draußen, in die wirkliche Welt, wo auch andere Menschen waren. Sie gingen in Kneipen, dort tranken sie Bier, flirteten miteinander und versuchten, endlich den Rekord an diesem verdammten Flipperautomaten zu knacken. Diese Art der Freizeitbeschäftigung hört sich freilich ein wenig skurril an - zumal in einer Zeit, in der die Menschen daheim sitzen, mit Freunden über soziale Netzwerke kommunizieren, sich per App zum One-Night-Stand verabreden und auf dem iPad mit Pflanzen auf Zombies schießen.

Die Geschichte des Flipperautomaten geht bis ins 18. Jahrhundert zurück. Aus dem französischen Geschicklichkeitsspiel Bagatelle entwickelte sich eine Variante, bei der eine Stahlkugel in einer abschüssigen Box nach oben befördert wurde und dann an Eisenstäben vorbei in das Feld mit den meisten Punkten fallen sollte. In den 1930er Jahren, als die Amerikaner aufgrund der Wirtschaftskrise kaum Geld hatten für Laster, brauchte es dann ein möglichst billiges Gerät zur Zerstreuung der Sorgen: Baffle Ball war im Jahr 1931 das erste Spiel, das über eine Münze, meist nur ein Cent, betrieben wurde.

Zwei Jahre später kam Contact auf den Markt, es enthielt die bis heute beliebten Puffer und Zielscheiben, dazu Löcher, aus denen der Ball ins Spiel zurück katapultiert wurde. Das Geschäftsmodell funktionierte überaus effizient: Die Kunden bezahlen wenig, um an einem Automaten spielen zu können, den sie sich als Gerät nicht leisten können. In New York waren die Flipper-Vorgänger kurzzeitig verboten, weil sie als süchtig machend galten.

Nach dem Zweiten Weltkrieg erfand der amerikanische Techniker Harry Mabs die kleinen Hebel für das Kugel-im-Spiel-Halten, im Jahr 1947 kam mit Humpty Dumpty der erste Flipperautomat auf den Markt. Er hatte sechs Paddel. Die Branche erlebte einen Boom, weil das Geschäftsmodell noch immer funktionierte. In den Achtzigerjahren gab es dann eine erste Krise, weil in den Spielhallen Videospiele wie Space Invaders, Pac-Man und Galaga dominierten.

Die Flipperindustrie konterte mit innovativeren Geräten, in den Neunzigerjahren erlebte die Branche ihren Höhepunkt. Der Umsatz der Hersteller lag laut Fortune im Jahr 1994 bei mehr als 800 Millionen Dollar, die Kunden warfen in diesem Jahr etwa drei Milliarden Dollar in die Automaten. Die erfolgreichsten der insgesamt knapp 5000 verschiedenen Geräte waren 1992 Flipper, die mit Bildern der TV-Serie "The Addams Family" dekoriert und mit einem Magneten unter der Spielfläche ausgestattet waren. Die Entwicklung des Heimcomputers und die Einführung des Internets allerdings änderte einiges: Warum sollte jemand 50 Cent oder gar einen Euro für ein kurzes Vergnügen ausgeben, wenn er für 40 Euro ein komplettes Spiel kaufen und sich mit Konkurrenten auf der ganzen Welt messen kann? Die Flipperbranche wurde kleiner, starb aber nicht aus.

Jetzt kehrt sie zurück. Nicht unbedingt, weil nun wieder in jeder Kneipe ein Gerät steht, sondern weil sich die Fans von damals nun Geräte nach Hause stellen oder Wettbewerbe veranstalten. Apps wie Pinball Arcade sind eben kein Vergleich zum Gefühl, einen Ball durch Rütteln vor dem Hinunterrollen zu retten und dann mit einer Flipper-Links-Rechts-Kombination nach oben zu schicken. Die Freude über das anerkennende Nicken der Zuschauer ist nicht zu ersetzen. Man muss dazu nur hinaus, in die richtige Welt.

© SZ vom 06.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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